In der Bergeinsamkeit der Pyrenäen liegt die "Hauptstadt" eines Landes, in dem die verworrenste Historie Tatsache ist. Andorra la Vella, "Hauptdorf" des Zwegstaates Andorra, ist nicht mit architektonischen Reizen gesegnet - aber es hat mancherlei zu bieten, was man im 21. Jahrhundert kaum für möglich hält.

Diener zweier Herren

Ein paar Dutzend Wohn- und Geschäftshäuser, viele Andenkenshops, ein Marktplatz so groß wie eine Sandkiste, ein altersgebücktes Kirchlein - viel mehr gibt es in Andorra nicht zu sehen. Aber auf seinen 462 qkm Fläche beherbergt das Liliputländchen noch heute so viele Absonderlichkeiten, daß man ganze Doktorarbeiten damit füllen könnte. Der riesengroße Schlüssel zu all diesen Kuriositäten wiegt drei Pfund. Mit ihm wird an jedem Morgen das wichtigste Haus von Andorra aufgeschlossen. Obwohl an der "Casa de la Vall" ein windschiefes Türmchen klebt, hat sie große Ähnlichkeit mit einer Scheune. Hinter den zwei Meter dicken Mauern des "Hauses der Täler" wird Andorra regiert. Der "Kanzler" führt hier stellvertretend die Amtsgeschäfte für zwei abwesende Herren, deren Fotografien über seinem Schreibtisch hängen: den spanischen Bischof von Urgel und den Präsidenten der Französischen Republik.

Andorras Hauptstadt ist leider alles andere als schön. Es ist und bleibt wohl für lange Zeit eine einzige Baustelle, auf der man allerdings einkaufen kann.

Die Pyrenäen bewachen in Andorra nicht eine graue Wüstenei wie drüben in Spanien, sondern ein liebliches grünes Tal. Genauer zwei Täler mit sechs Gemeinden. Im 13. Jahrhundert war der spanische Bischof von Urgel der Meinung, Andorras Täler gehörten ihm allein. Er mußte jedoch feststellen, daß der französische Graf von Foix über eine katalanische Erbtante ebenfalls Ansprüche anmeldete. Weil der Graf ein paar Soldaten mehr hatte und weil die Spanier gerade sehr mit ihrer eigenen Geschichte beschäftigt waren, setzte man sich an den Verhandlungstisch - und wurde sich einig. Andorra war und ist bis heute zwei Herren tributpflichtig. Seither beweisen die Andorraner aller Welt, daß man sehr wohl zwei Herren dienen und gut, vor allem steuer- und zollfrei, dabei leben kann. Siehe Bild unten. Zollfreie Ware soweit das Auge blickt.

In Andorra la Vella befinden sich fast alle grossen Einkaufszentren und Spezialgeschäfte, die das Ziel der meisten Wochenendtouristen aus Spanien und Frankreich sind. Das Angebot, überwiegend Luxusgüter, ist einfach erschlagend. Nicht alles, aber Vieles ist deutlich billiger als in Deutschland und offensichtlich auch in den Nachbarländern.

Lästige Aufwendungen für Schulen und andere öffentliche Institutionen sind überflüssig. Die katalanisch sprechenden Andorraner haben die Kunst, zwei Mächte gegeneinander auszuspielen, zu höchster Blüte kultiviert. Frankreich und Spanien überbieten sich, ihnen Gutes zu tun. Es gibt französische und spanische Schulen, eine spanische und eine französische Post. Briefe innerhalb Andorras werden von beiden kostenlos befördert. Doch trotz dieser Wohltaten blieben die Andorraner lange Zeit arme Bergbauern und Ziegenhirten. Bis sie feststellten, daß in ihrem Ländchen unter der Zweitausendmetergrenze prächtige Tabakstauden gedeihen. Fortan schmuggelten sie in Kiepen versteckt Tabak nach Spanien und Frankreich. Auf den geheimen Schmuggelpfaden über die Pyrenäen herrschte nachts ein solches Gedrängel, daß die Pascher übereinander stolperten. Die Bürgermeister der zwei Täler mußten deshalb behördliche Schmuggellizenzen vergeben.

Wir wohnten etwas ausserhalb von La Velle

Nun, es war nicht das Hotel Ritz, dafür war es zu schlicht eingerichtet, aber für die zwei Nächte reichte es uns allemal. Und bezahlen konnte man in Euro, da, obwohl Andorra nicht Mitglied der EU ist, der Euro das offizielle Zahlungsmittel ist. Verständlich, denn sowohl Frankreich als auch Spanien besitzen ihn als Zahlungsmittel. Früher konnte man sowohl in französischen Franc als auch in spanischen Peseten bezahlen.

In unseren Tagen entdeckte man dann, wie nützlich das spanisch - französische Zollgefälle für den Fremdenverkehr ist. Die Andorraner stellten von Schmugglern auf Geschäftsleute um. Ganz Andorra la Vella gleicht einem orientalischen Basar, in dem zollfreie Waren angeboten werden. Die Geschäfte gehen so gut, daß auf zwei Andorraner ein Auto kommt, das selbstverständlich mit zollfreiem Benzin gefahren wird. Ein Wohlstand, den nicht einmal die Schweiz erreicht! Der andorranische Paß ist so gut wie ein Scheckbuch. Wer ihn besitzt, kann als Strohmann einer von anderen finanzierten Firma gutes Geld machen. Die schlauen Diener zweier Herren sorgen dafür, daß er nicht in unbefugte Hände gerät. Wer Bürger Andorras werden will, muß hier mindestens drei Generationen ansässig sein und die älteste Tochter eines Andorraners heiraten.

LOL, es war unser gemietetes Auto, welches wir brauchten um von ausserhalb La Vellas in die Stadt zu kommen. Und da wir es falsch geparkt hatten, mussten wir eben das Protokoll an Ort und Stelle bezahlen. Wir nahmen es gelassen. Hier stellt uns der Polizist gerade das Protokoll aus. Hätte er sich zwar sparen können, denn wir kamen ja gleich dazu, aber er musste eines ausstellen für seine Dienststelle. Bei der Weiterfahrt etwa 2 Stunden später, sahen wir dann denselben Polizisten, diesmal in anderer Uniform, den Verkehr regeln, obgleich da kaum welcher war. Nun ja, Dienst ist Dienst und irgendetwas muss er ja wohl arbeiten. Jeanette fotografierte ihn vom Auto aus. Er grinste ihr zu, wie ich sah.

Im Sommer locken saftige Weiden und romantische Seen den Besucherstrom nach Andorra. Im Winter bemüht man sich - mit schneesicheren Pisten bis in den Mai hinein und Mittelmeerklima - neuerdings um die Skifahrer. Das gilt aber nicht für die Hauptstadt: Einkaufen und billigen Cognac trinken sind die einzigen Vergnügungen, die Andorra la Vella zu bieten hat. Seine konservativen Einwohner bemühen sich auch nicht, ihre Gäste durch weitere Attraktionen zu fesseln. Fremde sieht man hier ebenso gern kommen wie gehen, wichtig ist nur, sie lassen Geld da.

Mit der Gondel hinauf auf die Plattform von Andorra la Vella, um einen Überblick über die Stadt und zum Teil über die Pyrenäen zu bekommen. (Bild unten)
Panoramablick über Andorra la Vella und auf die Pyrenäen. (Bild oben)

Unser letzter Abend in Andorra. Selbstverständlich lud ich meine junge hübsche Freundin noch zu einem Abendessen ein, (hatte ja in Luxemburg Geld gewonnen) , bevor es am nächsten Tag Richtung Spanien, genauer nach Saragossa, ging. Den Mietwagen konnten wir ohne Probleme - allerdings gegen einen Aufpreis für die Rückführung nach Andorra, mit nach Spanien nehmen.

Jeanette und ich an der Grenze, schon auf spanischer Seite. Wir legten nach der Zollkontrolle einen kurzen Stopp ein um den Grenzübergang zu fotografieren, was Jeanette (rechts) mit dem Handy machte.

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Mit dem Reisebus nach Saragossa