Vor der Belgrader Stadthalle

Belgrads an sich ideale Lage am Zusammenfluß von Donau und Save ist auch immer sein Verhängnis gewesen. Noch heute sagen die Leute, wenn sie über die Savabrücke müssen: "Wir gehen nach Europa." (Bild unten)

Die Sava Brücke in Belgrad bei der die Serben sagen: "Wir gehen nach Europa."

Bis vor achtzig Jahren lagen sich hier Österreicher und Türken an den Flußufern lauernd gegenüber. Für Habsburg war die "Weiße Stadt" - das bedeutet Belgrad - k. u. k. Militärgrenze zum Osten, für die Türken letzter Grenzstein im Westen. Ein Teil Belgrader lebte unter türkischer, der Rest, die Serben, unter der österreichischen Fuchtel. Europäische Kleidung war damals eine Seltenheit, vermerkt die Stadtchronik. Bei den Reichen hing der westliche Gehrock neben den Pluderhosen im Kleiderschrank. Jenachdem, auf welche Flußseite sie mußten, zogen sie sich westlich oder östlich an. Die Feze von damals werden als Souvenir angeboten. Auch das türkische Kaffeegeschirr, das man überall kaufen kann, stammt aus dieser Zeit. Genauso das Rezept für den Türkenmokka in den Kaffeehäusern der Belgrader Hauptschlagader "Terazije".

In Pluderhosen zeigen sich heutzutage höchstens noch die Moslemzigeunerinnen, die hier und da wie aus dem Boden gewachsen auftauchen und dreist die Hand aufhalten. Über die Menschen wimmelnde Terazije sind immer wieder Soldaten gezogen: Janitscharen des Sultans, Reiter Prinz Eugens, serbische Freischärler, königlich-jugoslawische Truppen, deutsche Besatzer und schließlich Titos Partisanen, nicht mehr die Herren von heute - dennoch sehr selbstbewußte und eigenwillige Herren. Im "Konak", dem ehemaligen Königsschloß, sitzen Stadtparlament und Bürgermeister. Es ist ein unscheinbares Haus, hat es aber in sich. Hier fielen zu Anfang unseres Jahrhunderts die Würfel zu Europas Schicksal. Als König ein Balkanland zu regieren, war damals kein Sonntagsvergnügen. Meist starb man in diesem Amt nicht den Strohtod. Das passierte auch dem serbischen König Alexander I. Obrenovic. Am 11. Juni 1903 wurde er mit seiner Frau in seinem Schlafzimmer im Konak von Offizieren ermordet, denen seine deutsch-österreichische Politik nicht gefiel. Europa taumelte unaufhaltsam in den Weltkrieg.

Am Karl Marx und Engelsplatz

Bemerkenswerter als die Belgrader Architektur sind die Leute, die in ihr leben. Belgrader sind lebhafte freundliche und temperantvolle Großstädter. Sie feiern für ihr Leben gern. Vor allem die "Salva", ihres Schutzpatrons. In Serbien, dem Herzen des ehemaligen Jugoslawien, in dem auch ihr Belgrad liegt, wird der Schutzpatatron noch in Ehren gehalten und vom Vater auf den Sohn vererbt. Sein Geburtstag wird in jeder Familie mit einem üppigen Spanferkelessen begangen. Kommunisten die ihre Salva feiern, behaupten, sie müßten das ihrer alten Mutter zuliebe tun... Die Regierung ist zwar nicht kirchenfreundlich, aber die Religionen genießen völlige Freiheit. Wer Lust hat, kann von Belgrad auch ein Stück nach Europa hineinblicken. Dazu braucht man nur den "Kalemegn", eines der gewaltigsten Festungwerke der Welt und das letzte große Andenken an die Türkenzeit, zu besichtigen.

Vorm Eingang zur Kalemegdan Festung.
Eine gewaltige Festung, das muss man schon sagen.
My Lady kamen ausser Puste, ja ja, mit Stiefeln gehts nicht so gut.
Beim Verlassen der Kalemegdan Festung.
Ausserhalb der Festung: Ein Überbleibsel aus dem Balkankrieg

Von ihren Bastionen sieht man in die sattgrüne Tiefebene hinein, die sich Hunderte von Kilometern nach Mitteleuropa hineindehnt. Nicht blau, sondern graubraun fließt die Donau an der Riesenfestung vorbei, wälzen sich die aus einem halben Erdteil zusammengeströmten Wassermassen dem Schwarzen Meer zu. Von den verwitterten Bastionen sahen römische Grenzwachen verstört die ersten Barbarenhorden in der Ebene auftauchen. 1500 Jahre später meldeten jugoslawische Wachtposten den Angriff hitlerscher Stukaschwärme. Jetzt sitzen die Belgrader hier oben hoch über der weißen Stadt in dem kleinen Restaurant, der "Kalemegdanska Terasa", erfreuen sich an der prachtvollen Aussicht und schlürfen ihren Turka Kafa, den Türkenmokka, einen magenwärmenden Sljivovica, nach türkischer Sitte oft nur "Raki" (Schnaps) genannt, oder einen Maraskino, gebrannt aus den Kirschen, die rings um die dalmatinische Hauptstadt Zadar wachsen. Auch auf den Speisen- und Getränkekarten treffen sich in Belgrad Europa und der Orient, aber die orientalischen Einflüsse überwiegen dabei: Musaka und Sarma, Pilav und Djuvec sind Andenken an die Türken. Aber daran erinnert sich kaum noch jemand.

Dank der Lage an der Mündung der Save in die Donau am südöstlichen Rand der Pannonischen Tiefebene und an der Nordgrenze der Balkanhalbinsel ist die Stadt Dreh- und Angelpunkt für den Verkehr zwischen Mittel- und Südosteuropa sowie dem Vorderen Orient. Daher wird Belgrad oft auch Tor zum Balkan bezeichnet. Wahrzeichen Belgrads ist die in der Geschichte häufig umkämpfte, über der Mündung der Save in die Donau thronende Festung von Belgrad. (Wie oben schon gesehen).

Am Nationaltheater von Belgrad und am Sava-Tempel
Nach einem langen Tag kehrten wir zurück in unser Hotel
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Mit dem Zug nach Bukarest