Die fünf Bücher Mose
    
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Jakob schickt seine zwölf Söhne nach Ägypten.

Als Jakob hörte, daß in Ägypten Korn verkauft wurde, sprach er zu seinen Söhnen: "Was seht ihr euch lange um? Ich höre, daß in Ägypten Korn verkauft wird. Zieht hinab und kauft dort Getreide, damit wir zu essen haben und nicht sterben". Da zogen die zehn Brüder Josefs aus, um in Ägypten Korn zu kaufen. Aber Benjamin, den jüngsten Bruder, ließ Jakob nicht mit ihnen ziehen, denn er befürchtete, es könne ihm etwas zustoßen. So kamen unter den Leuten, die Korn kaufen wollten, auch die Söhne Jakobs, denn es herrschte Hungersnot im Lande Kanaan. Nun war Josef der Statthalter im Lande, der allem Volk im Lande Korn verkaufte. Als Josefs Brüder zu ihm kamen, warfen sie sich vor ihm zur Erde nieder. Sobald Josef seine Brüder sah, erkannte er sie. Aber er stellte sich fremd gegen sie, fuhr sie hart an und fragte: "Wo kommt ihr her ?" Sie sprachen: "Aus dem Lande Kanaan; wir wollen Korn kaufen". Aber Josefs Brüder erkannten ihn nicht.

Josefs Brüder bitten um Getreide.

Da mußte Josef an die Träume denken, die er von ihnen geträumt hatte. Er sprach zu ihnen: "Ihr seid Spione! Ihr seid gekommen, die Geheimnisse dieses Landes zu erkunden!" Sie erwiderten ihm: "Nein, Herr! Deine Knechte sind gekommen, um Korn zu kaufen. Wir sind ehrliche Leute, und keine Spione!" Aber Josef sprach zu ihnen: "Es ist so, wie ich sagte: Ihr seid gekommen, die Geheimnisse dieses Landes zu erkunden!" Sie antworteten: "Wir waren zwölf Brüder, die Söhne eines Mannes im Lande Kanaan. Der jüngste ist jetzt noch bei unserm Vater, und einer ist nicht mehr". Josef aber sprach zu ihnen: "Es ist so, wie ich gesagt habe: Spione seid ihr! Aber ich will euch prüfen. Beim Leben des Pharao, ihr sollt nicht von hier fortziehen, ehe nicht euer jüngster Bruder herkommt. Sendet einen von euch hin, daß er euren Bruder hole. Ihr anderen aber bleibt hier gefangen. So will ich prüfen, ob ihr die Wahrheit sprecht.

Wenn nicht, so seid ihr Spione, so wahr der Pharao lebt". Er ließ sie alle ins Gefängnis einliefern. Am dritten Tag aber sprach Josef zu ihnen: "Wollt ihr am Leben bleiben, so tut dies, denn ich bin gottesfürchtig: Seid ihr ehrliche Leute, so lasset einen von euch hier im Gefängnis. Ihr andern aber zieht hin und nehmet genug Getreide mit heim, den Hunger eurer Familien zu stillen. Dann bringt euren jüngsten Bruder zu mir, als Beweis, daß eure Worte wahr sind, damit ihr nicht sterben müßt". Sie sprachen untereinander: Wahrlich, wir haben uns schuldig gemacht an unserem Bruder.

Wir sahen seine Seelenangst, als er uns anflehte, aber wir hörten nicht auf ihn. Darum kommt nun diese Not über uns". Ruben antwortete ihnen: "Habe ich euch nicht gesagt: 'Versündigt euch nicht an dem Knaben?'. Doch ihr wolltet nicht hören. Nun müssen wir für sein Blut bezahlen."Sie wußten aber nicht, daß Josef sie verstand, denn er redete durch einen Dolmetscher mit ihnen. Josef ging hinaus, und er weinte. Dann kehrte er zu ihnen zurück und redete mit ihnen. Er nahm den Simeon von ihnen fort und ließ ihn vor ihren Augen binden. Danach befahl er seinen Knechten, ihnen die Säcke mit Korn zu füllen und einem jeden das Geld wieder in den Sack zu legen und ihnen Reiseproviant mitzugeben.

Josefs Brüder erhalten Getreide.
Den Simeon aber nahm er von ihnen fort
und ließ ihn vor ihren Augen binden.
Die Brüder kehren nach Hause zurück.

Sie luden ihr Korn auf ihre Esel und zogen fort. Als sie aber in einer Herberge halt machten und einer seinen Sack auftat, um seinem Esel Futter zu geben, sah er sein Geld oben im Sacke liegen. Da sprach er zu seinen Brüdern: "Mein Geld ist wieder in meinem Sack!" Da verloren sie den Mut. Sie sahen sich erschrocken an und sprachen: "Was hat Gott uns angetan ?"Als sie nun heim kamen zu ihrem Vater Jakob nach Kanaan, erzählten sie ihm alles, was ihnen begegnet war. "Der Mann, der Herr im Lande ist, hat hart mit uns geredet und uns für Spione gehalten. Doch wir sprachen zu ihm: ' Wir sind ehrliche Leute, wir sind keine Spione. Wir sind zwölf Brüder. Einer ist nicht mehr, und der Jüngste ist jetzt noch bei unserem Vater im Lande Kanaan.' Da sprach der Mann, der Herr des Landes, zu uns: ' Ihr sollt mir beweisen, daß ihr ehrliche Leute seid.

Lasst einen von euch Brüdern hier bei mir, nehmt genug Korn mit, den Hunger eurer Familien zu stillen und zieht heim. Aber bringt mir euren jüngsten Bruder. Daran will ich erkennen, daß ihr keine Spione seid, sondern ehrliche Leute. Dann erst will ich euch euren Bruder wiedergeben, und ihr mögt frei im Lande umherziehen und handeln". Als sie die Säcke leerten, da fand ein jeder den Beutel mit seinem Geld in seinem Sack. Als sie aber, sie und ihr Vater, die Beutel mit dem Gelde sahen, fürchteten sie sich. Da sprach Jakob zu ihnen: "Ihr habt mir meine Kinder genommen. Josef ist nicht mehr, Simeon ist nicht mehr, und Benjamin wollt ihr mir auch noch nehmen. All dies muß ich noch erlebend". Da erwiderte Ruben seinem Vater: "Du magst meine beiden Söhne töten, wenn ich dir Benjamin nicht wiederbringe. Überlasse ihn mir; ich bringe ihn dir gewiß zurück". Doch Jakob sprach: "Mein Sohn soll nicht mit euch ziehen, denn sein Bruder ist tot, und er allein ist noch übrig. Wenn ihm etwas zustoßen sollte auf dem Weg, so würdet ihr meine grauen Haare vor Kummer ins Grab hinunterbringen".

Die Brüder ziehen mit Benjamin nach Ägypten.

Die Hungersnot aber dauerte an im Land. Als Jakob und seine Söhne das Korn, das sie aus Ägypten geholt, aufgegessen hatten, sprach ihr Vater zu ihnen: "Geht noch einmal hin und kauft uns ein wenig zu essen". Da erwiderte ihm Juda: "Wenn du unseren Bruder mit uns gehen läßt, so wollen wir hinabziehen und dir zu essen kaufen. Willst du ihn aber nicht mitgehen lassen, so ziehen wir nicht hinab. Denn der Mann hat zu uns gesagt: 'Ihr dürft mir nicht mehr unter die Augen treten, wenn ihr euren Bruder nicht mitbringt". Jakob aber sprach: "Warum habt ihr mir das zuleide getan und dem Manne gesagt, daß ihr noch einen Bruder habt ?" Sie antworteten: "Der Mann hat genau nach uns und unserer Verwandtschaft gefragt: 'Lebt euer Vater noch? Habt ihr noch einen Bruder?'. Da sagten wir ihm, wie es ist. Konnten wir denn ahnen, daß er sagen würde: 'Bringt euren Bruder her' ?" Dann sprach Juda zu seinem Vater Jakob: "Gib mir den Knaben mit, so wollen wir uns aufmachen und hinziehen, damit wir zu leben haben und nicht sterben, wir und du und unsere Kinder. Ich will die Verantwortung für ihn übernehmen. Von mir sollst du ihn wieder fordern. Wenn ich ihn dir nicht wiederbringe, so will ich mein Leben lang die Schuld tragen.

Hätten wir nicht so lange gezögert, so wären wir jetzt schon wieder zurück". Da sprach ihr Vater Jakob zu ihnen: "Wenn es denn sein muß, so tut dies: Füllt von den besten Früchten des Landes in eure Säcke und bringt es dem Manne als Geschenk, ein wenig Balsam und Honig, Gewürze, Myrrhe, Datteln und Mandeln. Nehmt auch den doppelten Betrag an Geld mit euch. Dann könnt ihr das Geld, das in eure Säcke gelegt wurde, zurückgeben. Vielleicht war es ein Irrtum. Nehmt also euren Bruder und geht noch einmal zu dem Manne. Der allmächtige Gott lasse euch Barmherzigkeit finden vor dem Manne, daß er Benjamin und euren anderen Bruder mit euch ziehen lasse! Denn wenn ich um meine Kinder trauern muß, so ist meine Trauer sehr bitter". Da nahmen die Brüder das Geschenk und den doppelten Betrag an Geld, und zogen mit Benjamin nach Ägypten und traten vor Josefs Haus.

Josefs Brüder bitten erneut um Getreide
und stellen ihren jüngsten Bruder Benjamin vor.
Josef ißt mit seinen Brüdern zu Mittag.

Als Josef nach Hause kam, übergaben sie ihm das Geschenk, das sie bei sich hatten, und warfen sich vor ihm zur Erde. Er aber begrüsste sie und sprach: "Geht es eurem alten Vater gut, von dem ihr erzählt habt? Ist er noch am Leben?" Sie antworteten: "Deinem Knecht, unserem Vater, geht es gut; er ist noch am Leben". Sie verneigten sich vor ihm bis zur Erde. Als Josef seinen Bruder Benjamin erblickte, den Sohn seiner Mutter, sprach er: "Ist das euer jüngster Bruder, von dem ihr mir erzählt habt ?" Danach sprach er: "Gott sei dir gnädig, mein Sohn!" Dann aber ging Josef eilig in sein Zimmer, denn er war tief bewegt beim Anblick seines Bruders und mußte weinen. Dann wusch ersein Angesicht, kam wieder heraus und sprach: "Tragt das Essen auf !"

Als Josef den Benjamin bei ihnen sah, gebot er seinem Hausverwalter: "Führe diese Männer ins Haus, schlachte ein Tier und bereite ein Mahl, denn sie sollen mit mir zu Mittag essen". Der Mann tat, wie Josef befohlen hatte, und führte die Brüder in Josefs Haus. Sie aber fürchteten sich, als sie in Josefs Haus geführt wurden und sprachen: "Wir werden hier hereingeführt wegen des Geldes, das beim ersten Mal wieder in unsre Säcke gekommen ist. Er will über uns herfallen, uns zu Sklaven machen und uns die Esel wegnehme" Darum traten sie zu dem Mann, der Josefs Haus verwaltete, redeten mit ihm an der Pforte und sprachen: "Mein Herr, wir sind schon einmal hierher gekommen, um Korn zu kaufen, doch als wir auf der Rückreise in die Herberge kamen und unsere Säcke aufmachten, da lag zur allgemeinen Überraschung eines jeden Geld oben in seinem Sack, und zwar der volle Betrag. Dieses Geld haben wir nun wieder mitgebracht. Wir haben aber auch noch anderes Geld, um Nahrungsmittel zu kaufen. Wir wissen nicht, wer das Geld in unsere Säcke gelegt hat". Der Hausverwalter aber sprach: "Fürchtet euch nicht! Euer Gott und eures Vaters Gott hat euch einen Schatz in die Säcke getan. Euer Geld ist mir übergeben worden. "Er brachte den Simeon zu ihnen heraus. Dann führte er die Brüder in Josefs Haus, reichte ihnen Wasser, damit sie sich die Füße wuschen, und gab ihren Eseln Futter.

Sie aber machten das Geschenk bereit, um es Josef zu geben, wenn er am Mittag kam, denn sie hatten gehört, daß sie mit ihm essen sollten. Man trug aber ihm und den Brüdern getrennt auf, und auch den Ägyptern, denn die Ägypter dürfen nicht mit den Hebräern essen; das ist den Ägyptern verboten. Die Brüder aber saßen Josef gegenüber, dem Alter nach, vom Erstgeborenen bis zum Jüngsten. Die Männer sahen sich deshalb verwundert an. Josef ließ ihnen Gerichte auftragen von seinem Tische. Dem Benjamin aber wurde fünfmal mehr aufgetragen als den anderen. Sie tranken mit ihm und waren guter Dinge. Dann gebot Josef seinem Hausverwalter: "Fülle den Männern die Säcke mit Getreide, soviel sie mitführen können, und lege jedem sein Geld oben in den Sack. Dem Jüngsten aber lege oben in den Sack zu dem Geld für das Korn meinen silbernen Becher".

Die heimkehrenden Brüder werden durchsucht.

Der Hausverwalter tat, wie ihm Josef gesagt hatte. Am Morgen, als es Tag wurde, ließ man die Männer mit den Eseln ziehen. Kaum aber hatten sie die Stadt verlassen, da sprach Josef zu seinem Hausverwalter: "Jage den Männern nach! Wenn du sie eingeholt hast, so sprich zu ihnen: 'Warum habt ihr Gutes mit Bösem vergolten ? Ist das nicht der Becher, aus dem mein Herr trinkt, und aus dem er weissagt? Da habt ihr Böses getan!" Als der Hausverwalter sie einholte, redete er so mit ihnen. Sie aber antworteten:Herr, warum redest du so? Ferne sei es von deinen Knechten, so etwas zu tun! Das Geld, das wir in unseren Säcken fanden, haben wir doch aus dem Lande Kanaan zurückgebracht! Warum sollten wir aus dem Hause deines Herrn Silber oder Gold stehlen ? Der unter uns, bei dem es gefunden wird, der soll sterben, und wir andern wollen deine Sklaven sein".

In Benjamins Sack wird ausser dem Geld für das Korn
Josefs silbernen Becher gefunden.

Der Hausverwalter sprach: "Ja, genau so, wie ihr gesagt habt, soll es sein! Der, bei dem es gefunden wird, soll mein Sklave sein. Ihr andern aber geht frei aus". Hastig ließ jeder seinen Sack auf die Erde herab und machte ihn auf. Der Hausverwalter aber suchte nach: Beim Ältesten begann er, und beim Jüngsten hörte er auf. Den Becher fand er in Benjamins Sack. Da zerrissen die Brüder vor Schmerz ihre Kleider, luden die Säcke wieder auf die Esel und kehrten in die Stadt zurück.

Juda bittet um Gnade für Benjamin.
Josef und Judah sprechen unter vier Augen.

Juda trat mit seinen Brüdern in das Haus Josefs, und sie warfen sich vor ihm zur Erde. Da sprach Josef zu ihnen: "Warum habt ihr das getan ? Wißt ihr denn nicht, daß ein Mann wie ich es gewiß bemerken würden? Juda antwortete: "Was sollen wir meinem Herm sagen? Wie sollen wir reden und womit uns rechtfertigen? Gott hat die Schuld deiner Knechte an den Tag gebracht. Siehe, wir sind meines Herrn Sklaven, wir alle, und vor allem der, bei dem der Becher gefunden wurde". Josef aber sprach: "Gott behüte, daß ich das verlange! Nur der, bei dem der Becher gefunden wurde, soll mein Sklave sein. Ihr andern mögt in Frieden zu eurem Vater ziehen". Da trat Juda zu ihm heran und sprach:

"Mein Herr, laß doch deinen Knecht ein Wort reden vor deinen Ohren! Laß nicht deinen Zorn entbrennen gegen deinen Knecht, auch wenn du so mächtig bist wie der Pharao. Mein Herr hat seine Knechte gefragt: 'Habt ihr noch einen Vater oder einen Bruder ?' Da antworteten wir: 'Wir haben noch unseren alten Vater und einen kleinen Bruder, der ihm im Alter geboren wurde. Sein anderer Bruder ist tot, und so ist er allein von seiner Mutter geblieben. Sein Vater hat ihn sehr lieb.' Da sprachst du zu deinen Knechten: 'Bringt ihn herab zu mir, damit ich ihn sehe. Wenn euer jüngster Bruder nicht mit euch herabkommt, dürft ihr mir nicht mehr unter die Augen treten!' Als wir nun zu unserem Vater hinaufkamen, berichteten wir ihm deine Worte. Darauf sprach unser Vater: 'Zieht wieder hin und kauft uns ein wenig zu essen.' Wir aber sprachen: 'Wir können nicht hinabziehen. Nur wenn unser jüngster Bruder bei uns ist, ziehen wir hinab. Denn wir dürfen dem Manne nicht unter die Augen treten, wenn unser jüngster Bruder nicht bei uns ist. 'Da sprach unser Vater: 'Ihr wißt ja selbst, daß mir meine Frau nur zwei Söhne geschenkt hat. Einen habe ich schon verloren; er ist von wilden Tieren zerrissen worden. Ich habe ihn bis heute nicht wiedergesehen.

Wenn ihr mir diesen nun auch noch nehmt, und es stößt ihm etwas zu, so bringt ihr meine grauen Haare vor Kummer hinab ins Grab.' Wenn ich daher nun zu meinem Vater heimkomme, und er sieht, daß der Knabe nicht bei uns ist, an dem er doch mit ganzer Seele hängt, wird er gewiß sterben. Denn ich habe für den Knaben die Verantwortung übernommen und gesprochen: 'Wenn ich ihn dir nicht wiederbringe, so will ich mein Leben lang die Schuld tragen.' Darum erlaube, daß ich an der Stelle des Knaben hierbleibe als Sklave meines Herrn. Den Knaben aber laß heimziehen mit seinen Brüdern. Denn wie könnte ich zu meinem Vater hinaufziehen, wenn der Knabe nicht bei mir ist? Ich könnte das Leid nicht mit ansehen, das dann über meinen Vater käme!"

Josef umarmt seinen Bruder Benjamin
und schickt alle Anwesenden seines Hofes hinaus,
denn er muss weinen.
Josef gibt sich zu erkennen.

Nach diesem Gespräch konnte sich Josef nicht länger zurückhalten vor allen, die um ihn herumstanden. Er befahl:

"Alle sollen hinausgehen!"

So gingen alle Ägypter hinaus, und Josef gab sich seinen Brüdern zu erkennen. Aber er weinte so laut, daß die Ägypter es hörten. Auch im Palast des Pharao hörte man es. Josef sprach zu seinen Brüdern: "Ich bin Josef. Lebt mein Vater noch?" Aber seinen Brüdern blieb das Wort im Munde stecken, so sehr erschraken sie vor ihm. Dann sprach Josef zu seinen Brüdern: "Kommt doch zu mir heran!" Sie traten näher zu ihm heran. Da sprach er: "Ich bin Josef, euer Bruder, den ihr nach Ägypten verkauft habt. Doch nun fürchtet euch nicht, weil ihr mich hierher verkauft habt. Gott hat mich vor euch hergesandt, um euch am Leben zu erhalten. Zwei Jahre ist nun schon die Hungersnot im Lande, und noch fünf Jahre wird es weder Saat noch Ernte geben. Darum habt nicht ihr mich hierher gesandt, sondern Gott. Er hat mich dem Pharao zum Berater gegeben und zum Herrn über sein Haus und zum Herrscher über das ganze Land Ägypten.

Nun eilt und zieht hinauf zu meinem Vater und sagt ihm: 'Das läßt dir dein Sohn Josef sagen: Komm herab zu mir und zögere nicht. Du sollst im Land Gosen wohnen, nahe bei mir, du, deine Kinder und deine Kindeskinder mit deinen Schafen und Rindern und allem, was dein ist. Ich will für dich sorgen, denn noch fünf Jahre wird die Hungersnot dauern, damit du mit deinem Hause nicht in Armut gerätst.' Ihr und mein Bruder Benjamin seht es ja mit eigenen Augen, daß ich selbst es bin, der mit euch redet. Erzählt meinem Vater von all meinen Ehren in Ägypten und von allem, was ihr gesehen habt. Dann kommt eilends mit meinem Vater hierher!" Josef  fiel seinem Bruder Benjamin um den Hals und weinte, und auch Benjamin weinte. Dann küßte er alle seine Brüder und weinte mit ihnen. Danach redeten seine Brüder mit ihm.

Die Brüder bringen ihrem Vater die frohe Kunde.

Die Kunde davon kam auch in den Palast des Pharao. Es hieß: "Josefs Brüder sind gekommen". Darüber freuten sich der Pharao und seine Diener. Der Pharao befahl Josef, seinen Brüdern zu sagen: "Beladet eure Tiere und ziehet heim in das Land Kanaan. Holt euren Vater und eure Familien und kommt zu mir; ich will euch den besten Teil des Landes Ägypten geben, und ihr sollt vom Reichtum des Landes essen". Auch ließ er ihnen sagen: "Nehmt euch Wagen aus Ägypten für eure Kinder und Frauen und bringt euren Vater hierher. Eure Habe bringt nicht mit, denn das Beste, was das Land Ägypten bietet, soll euch gehören".

Jakob zieht mit seiner ganzen Familie nach Ägypten.

Also gab Josef seinen Brüdern Wagen und Reiseproviant. Jedem schenkte er ein Festkleid; dem Benjamin aber schenkte er dreihundert Lot Silber und fünf Festkleider. Seinem Vater sandte er zehn Esel, beladen mit Waren aus Ägypten, und zehn Eselinnen mit Korn, Brot und Speisen für den Weg. Dann entließ er seine Brüder, und sie zogen fort. Er sprach zu ihnen: "Streitet nicht unterwegs!" Sie zogen aus Ägypten hinauf in das Land Kanaan zu ihrem Vater Jakob. Sie berichteten ihm alles und sprachen: "Josef ist noch am Leben! Ja, er ist Herr über das ganze Land Ägypten!" Doch Jakobs Herz blieb kalt, denn er glaubte ihnen nicht. Da erzählten sie alles, was Josef zu ihnen geredet hatte. Als er aber die Wagen sah, die Josef gesandt hatte, ihn zu holen, da lebte ihr Vater wieder auf. Und er sprach: "Jetzt glaube ich alles. Mein Sohn Josef lebt noch. Ich will hin und ihn sehen, eh ich sterbe".

Jakobs Traum.
Jakob zieht mit seiner Familie nach Ägypten.

Jakob brach auf mit allem, was er hatte. Als er nach Beerseba kam, brachte er dem Gott seines Vaters Isaak Opfer dar. Da redete Gott des Nachts im Traum mit ihm und sprach: "Jakob! Jakob!" Er antwortete: "Hier bin ich!" Und Gott sprach: "Ich bin Gott, der Gott deines Vaters. Fürchte dich nicht, nach Ägypten hinabzuziehen, denn ich will dich dort zu einem großen Volk machen. Ich selber ziehe mit dir hinab nach Ägypten. Ich werde dich auch wieder heraufführen, und Josef soll dir beim Sterben die Augen schliessen". Da machte sich Jakob auf von Beerseba. Seine Söhne hoben ihren Vater, ihre Kinder und Frauen auf die Wagen, die der Pharao gesandt hatte, sie hinzuführen. Sie nahmen  ihre Herden und ihre Habe mit, die sie im Lande Kanaan erworben hatten. So kam Jakob nach Ägypten, und mit ihm sein ganzes Geschlecht: seine Söhne und seine Enkel, seine Töchter und seine Enkelinnen. Alles brachte er mit nach Ägypten.

Jakob in Ägypten
Josef reitet seiner Familie entgegen.(links)
Josef stellt seine Familie dem Pharao vor.(rechts)

Als sie nun in das Land Gosen kamen, ließ Josef seinen Wagen anspannen, um seinem Vater Jakob entgegenzuziehen. Als er ihn sah, fiel er ihm um den Hals und weinte lange. Dann sprach Jakob zu Josef: "Nun, da ich dich wiedergesehen habe und weiß, daß du noch am Leben bist, will ich gern sterben". Josef nahm fünf von seinen Brüdern und stellte sie dem Pharao vor. Da sprach der Pharao zu Josefs Brüdern: "Was ist eure Tätigkeit?" Sie antworteten: "Wir sind Schafhirten. Laß doch deine Knechte im Lande Gosen bleiben, denn im Land Kanaan herrscht schwere Hungersnot". Da sprach der Pharao zu Josef: "Dein Vater und deine Brüder sind zu dir gekommen. Das Land Ägypten steht dir offen. Laß deinen Vater und deine Brüder im besten Teil des Landes Gosen wohnen. Wenn du tüchtige Leute unter ihnen kennst, so mache sie zu Aufsehern über meine eigenen Herden". Da brachte Josef seinen Vater Jakob herein und stellte ihn dem Pharao vor. Jakob segnete den Pharao.

Josef sorgt für seine Familie.

Josef verschaffte seinem Vater und seinen Brüdern eigenen Besitz im Lande Ägypten, und zwar den besten Teil des Landes, im Gebiet von Ramses, wie der Pharao geboten hatte. Josef versorgte seinen Vater und seine Brüder und das ganze Haus seines Vaters mit Nahrung nach der Anzahl der Kinder. Nun war aber die Hungersnot sehr schwer. Das Land Ägypten und das Land Kanaan verschmachteten vor Hunger. So ließ sich Josef von den Leuten im Lande Ägypten und im Land Kanaan Geld geben und gab ihnen Korn dafür. Das Geld lieferte er im Palast des Pharao ab. Als im Lande Ägypten und im Land Kanaan das Geld ausgegangen war, kamen alle Ägypter zu Josef und sprachen: "Gib uns Brot! Warum läßt du uns vor deinen Augen sterben ? Denn das Geld ist zu Ende". Josef sprach: "Gebt euer Vieh her, so will ich euch Brot dafürgeben".

Da brachten sie ihr Vieh, und Josef gab ihnen Brot dafür, für die Pferde, die Schafe, die Rinder und die Esel. So versorgte er sie in jenem Jahr mit Brot um den Preis all ihres Viehs. Als das Jahr vorüber war, kamen sie im zweiten Jahr wieder zu ihm und sprachen: "Wir können es unserem Herrn nicht länger verschweigen: Das Geld ist zu Ende, und auch das Vieh gehört schon unserem Herrn. So bleibt denn nichts mehr, das wir unserem Herrn geben können, als unser Leib und unser Feld. Warum sollen wir vor deinen Augen zugrunde gehen, wir und unser Feld ? Kaufe uns und unser Feld gegen Brot, damit wir am Leben bleiben und nicht sterben, und damit das Feld nicht veröde. Dann wollen wir, und das Feld dem Pharao dienen". So kaufte Josef für den Pharao alles Ackerland in Ägyten. Alle Ägypter verkauften ihren Acker, weil die Hungersnot sie hart drückte. So wurde das Land Eigentum des Pharao. Das Volk aber machte er dem Pharao dienstbar von einem Ende Ägyptens zum anderen. Nur die Priester behielten ihr Ackerland, denn die Priester hatten vom Pharao ein festes Einkommen an Speise, und sie nährten sich von diesem Einkommen, das der Pharao ihnen gab. Darum brauchten die Priester ihr Ackerland nicht zu verkaufen. Josef sprach zum Volke:

"Nun habe ich euch und euer Land für den Pharao gekauft. Da habt ihr Saatgut, und bebaut das Feld. Aber von der Ernte müßt ihr den fünften Teil dem Pharao geben; die anderen vier Teile sollen euch gehören, damit ihr das Feld besäen könnt und zu essen habt mit euren Kindern". "Sie sprachen: "Du hast uns das Leben gerettet. Wenn wir nur Gnade finden vor unserem Herrn, so wollen wir gern dem Pharao dienen". Josef machte es zum Gesetz, daß die Ägypter dem Pharao von ihrer Ernte den fünften Teil geben mußten. Nur das Ackerland der Priester war davon ausgenommen. Jakob lebte noch siebzehn Jahre im Lande Ägypten, bis er sehr alt war.

Jakob stirbt in Ägypten.
Jakob segnet jeden einzelnen seiner Söhne und erbittet einen Schwur von Josef.

Als Jakob sterben sollte, ließ er seinen Sohn Josef rufen und sprach zu ihm: "Willst du mir einen Gefallen tun, so erweise mir die Liebe und Treue und begrabe mich nicht in Ägypten. Wenn ich zu meinen Vätern gehe, bringe mich aus Ägypten heraus und begrabe mich in ihrer Grabstätte. Begrabe mich, wo sie Abraham und seine Frau Sara, wo sie Isaak und seine Frau Rebekka begraben haben, und wo ich Lea begraben habe". Josef sprach:

"Ich will tun, wie du gesagt hast". Jakob aber sprach: "Schwöre es mir und Josef schwor. Da verneigte sich Jakob zu Häupten der Lagerstätte. Dann sprach er zu Josef: "Sieh, ich sterbe nun; Gott aber wird mit euch sein und euch wieder in das Land deiner Väter führen!" Dann rief Jakob seine zwölf Söhne und sprach: "Versammelt euch, damit ich euch verkünde, was euch in der Zukunft zustoßen wird. Kommt zusammen, ihr Söhne Jakobs, und höret auf Israel, euren Vater Jakob, der Israel genannt wurde, verkündete ihnen, daß aus seinen zwölf Söhnen die zwölf Stämme Israels hervorgehen würden. Er sprach der Reihe nach zu allen seinen Söhnen: "Ruben, Simeon, Levi, Juda, Issaschar, Sebulon, Benjamin, Dan, Naphtali, Gad, Josef und Asser". Er verkündete, daß Judas Stamm von allen andern gepriesen werde, daß alle sich vor ihm neigen würden.

Er segnete jeden einzelnen seiner Söhne. Dann gab Jakob seinen Geist auf und wurde versammelt zu seinem Volke. Da warf sich Josef über seinen Vater, weinte über ihm und küßte ihn. Dann befahl er den Ärzten, seinen Vater einzubalsamieren. Die Ärzte balsamierten Israel ein. Die Ägypter beweinten ihn siebzig Tage lang. Als die Trauerzeit vorüber war, sprach Josef zum Hof des Pharao: "Wollt ihr mir einen Gefallen tun, so redet für mich vor dem Pharao und sagt zu ihm, daß mein Vater mich hat schwören lassen, ihn in der Grabstätte zu begraben, die er sich im Land Kanaan selbst gegraben hat. Der Pharao lasse mich hinaufziehen und meinen Vater begraben; danach will ich wieder kommen". Der Pharao sprach: "So ziehe hinauf und begrabe deinen Vater, wie er es gewünscht hat".

Da zog Josef hinauf, seinen Vater zu begraben. Es zogen mit ihm alle Diener des Pharao, die Ältesten seines Hauses und alle Ältesten des Landes Ägypten, dazu das ganze Haus. Nur die Kinder, ihre Schafe und Rinder ließen sie im Lande Gosen. Auch Wagen und Reiter zogen mit ihm hinauf. Es war eine große Karawane. Als sie nun zur Stechdorntenne kamen, die jenseits des Jordan liegt, hielten sie dort eine große und bittere Totenklage. Josef veranstaltete eine Totenfeier für seinen Vater, sieben Tage lang. Jakobs Söhne trugen ihren Vater in das Land Kanaan, wie er ihnen befohlen hatte, und begruben ihn in der Höhle auf dem Feld Machpela.

Als Josef seinen Vater begraben hatte, kehrte er nach Ägypten zurück, er und seine Brüder und alle, die mit ihm hinaufgezogen waren, seinen Vater zu begraben. Als nun ihr Vater tot war, sprachen JosefsBrüder: "Was aber geschieht, wenn Josef uns all das Böse heimzahlt, das wir ihm angetan haben ?" Darum ließen sie dem Josef sagen: "Dein Vater hat vor seinem Tode angeordnet: 'So sollt ihr zu Josef sagen: Vergib doch deinen Brüdern ihre böse Tat und die Sünde, die sie begingen, als sie so übel an dir gehandelt haben". Josef aber weinte, als sie ihm das sagen ließen. Dann erst gingen seine Brüder selbst zu ihm, fielen vor ihm nieder und sprachen: "Nimm uns als deine Knechte!" Josef sprach zu ihnen: "Fürchtet euch nicht. Auch ich stehe unter Gott. Ihr wolltet mir zwar Böses tun, aber Gott lenkte es zum Guten, damit geschehe, was jetzt sichtbar ist: ein großes Volk am Leben zu erhalten. Darum seid ohne Furcht! Ich will für euch und eure Kinder sorgen".

Josef stirbt

So blieb Josef in Ägypten, er und seines Vaters Haus. Josef sah Ephraims und Manasses Kinder und Kindeskinder. Als er hundertundzehn Jahre alt war, sprach Josef zu seinen Brüdern: "Ich sterbe nun; Gott aber wird sich euer annehmen und euch aus diesem Lande hinwegführen in das Land, das er Abraham, Isaak und Jakob verheißen hat". Josef nahm den Söhnen Israels einen Eid ab und sprach: "Wenn sich Gott euer annehmen wird, so nehmt meine Gebeine von hier mit". Als er starb, war Josef ein alter Mann, aber nicht so alt, wie sein Vater gewesen war. Man balsamierte ihn ein und legte ihn in Ägypten in einen Totenschrein.

Der Auszug aus Ägypten
Moses wird geboren.