Ritter Manfred erzählt in Kürze die Weltgeschichte in Bildern.
Die Verfassung von 1875,ein Mißerfolg der Monarchisten.

  Die Dritte Republik in Frankreich. Die Verfassung von 1875, ein Mißerfolg der Monarchisten  

Henri-Charles-Ferdinand-Marie-Dieudonné de Bourbon-Artois, duc de Bordeaux, comte de Chambord (* 29. September 1820 im Palais des Tuileries, Paris; † 24. August 1883 auf Schloss Frohsdorf, Österreich) wurde nach der Abdankung seines Großvaters Karl X. am 2. August 1830 von den französischen Legitimisten als Heinrich V. zum König von Frankreich ausgerufen.

Es hatte nun ganz den Anschein, als stehe der Wiedererrichtung der Monarchie nichts mehr im Wege. Man mußte nur noch bestimmen, wer der neue Herrscher sein sollt. Es gab zwei Anwärter: den Grafen von Chambord, Enkel Karls X. und Haupt der Legitomationspartei, deren Mehrheit aus Grßgrundbesitzern und Katholiken bestand, und den Grafen von Paris, Enkel des Bürgerkönigs Louis-Philippe und Haupt des Hauses Orleans, dessen Anhänger - es waren überwiegend Geschäftsleute, Industrielle und Akademiker - eine konstitutionelle Monarchie als beste Gewährleistung ihrer Interessen vorschwebte. Der Widerstreit der beiden Parteien wurde durch ein Abkommen der beiden Präsidenten beendet: Der Graf von Paris verzichtete auf seine Ansprüche zugunsten des Grafen von Chambord, der diesen wiederum als seinen einzigen Nachfolger anerkannte, weil er selbst keine Kinder hatte. Aber die Folgen dieses Ausgleichs waren alles andere als dauerhaft. Am 27. Oktober 1873 veröffentlichte der Graf von Chambord, der bereits Heinrich V. genannt wurde, eine Erklärung, wonach er an der Charte von 1814 und an dem weißen Lilienbanner des Hauses Bourbon als Symbol der auf göttlichem Recht beruhenden Monarchie festzuhalten gewillt sei!

Man wartete den Tod Chambords ab und übertrug dann Marschall Mac Mahon die vollziehende Gewalt.

Wenn die Monarchie deartige Forderungen erhob, dann war ihre Wiedererrichtung eine Unmöglichkeit. In ihrer Bestürzung entschlossen sich die Orleanisten dazu, den Tod des Grafen von Chambord abzuwarten, und übertrugen Mac Mahon die vollziehende Gewalt auf eine Dauer von sieben Jahren. Dieses Septenat sollte die Stabilität der Regierung gewährleisten, aber auch einen Zeitgewinn mit sich bringen; denn darauf kam es den Orleanisten vor allem an. Um die Propaganda der Republikaner zu zügeln, verfügte die Regierung mit Unterstützung der Katholiken eine "moralische Ordnung": jeder Aufruf, an der Republik festzuhalten, wurde untersagt, über die Zeitungen eine strenge Zensur verhängt und die Universität der Aufsicht der Katholiken unterworfen.

Die Monarchisten verschärften den reaktionären Kurs ihrer Politik noch dadurch, daß sie die Nationalversammlung in Urlaub schickten, eine große Zahl von Beamten absetzten und der Regierung die Befugnis erteilten, die Bürgermeister der Gemeinden zu ernennen. Eine solche Politik entsprach indessen den Wünschen der Franzosen immer weniger. Die von Gambetta und dessen Freunden geführte unaufhörliche Kampagne begann Früchte zu tragen: Die Kommunalwahlen von 1874 verschafften den Republikanern die Mehrheit.

Léon Gambetta (* 2. April 1838 in Cahors; † 31. Dezember 1882 in Ville-d'Avray bei Paris) war ein französischer Staatsmann der Dritten Republik. Im Oktober 1870 verließ Gambetta das belagerte Paris in einem Luftballon um in der Provinz den Wiederstand zu organisieren.

Die gemäßigten Mitglieder der Nationalversammlung, der Lage allmählich überdrüssig, kehrten eines nach dem anderen dem royalistischen Lager den Rücken. Schließlich wurde die Republik mit einer einzigen Stimme Mehrheit zur endgültigen Staatsform Frankreichs erklärt. Dies erfolgte durch die Annahme eines Abänderungsantrags des zur Mitte gehörenden Abgeordneten Wallon, wonach der Präsident der Republik auf sieben Jahre von den zu einer Nationalversammlung vereinigten Mitgliedern des Senats und der Abgeordnetenkammer zu wählen sei.

Fünf Gesetze ergänzten diesen Antrag und bildeten mit ihm zusammen das, was man fälschlich die Verfassung von 1875 genannt hat. Zum ersten Male in seiner Geschichte besaß Frankreich nun ein wahrhaft parlamentarisches Regierungssystem. Die gesetzgebende Gewalt lag bei einem Parlament, das aus zwei Kammern bestand: einer Kammer der Abgeordneten, die nach dem allgemeinen und gleichen Wahlrecht für vier Jahre gewählt wurden, und einem Senat oder Oberhaus von 300 Mitgliedern, von denen 73 auf Lebenszeit ernannt und die übrigen als Vertreter der verschiedenen Regionen und Gemeinden nach einem indirekten Wahlrecht auf neun Jahre bestimmt wurden; für den Senat war alle drei Jahre eine Drittelerneuerung vorgeschrieben. Zur Nationalversammlung vereinigt, besaßen die beiden Kammern die Befugnis, den Präsidenten der Republik zu wählen und die Verfassung abzuändern.

  Die Krise vom 16. Mai:  Mac-Mahons Rückzug aus der Politik    

Die vollziehende Gewalt war zwischen den Kammern verantwortlichen Ministerrat und dem Präsidenten der Republik geteilt, der seinerseits die hohen Amtsträger zu ernennen sowie die Armee und Diplomatie zu leiten hatte. Überdies konnte er das Begnadigungsrecht ausüben und mit Zustimmung des Senats die Abgeordnetenkammer auflösen, aber er war politisch nicht verantwortlich. Diese Verfassung war die Frucht eines Kompromisses zwischen den Royalisten, die sich damit abgefunden hatten, daß die Monarchie nicht wieder eingeführt wurde, und den Republikanern, die auf einen großen Teil ihrer Programme verzichten mußten, und blieb bis zum Juli 1940 in Kraft.

Bei den Wahlen von 1876 errangen die Republikaner die Mehrheit in der Abgeordnetenkammer. Mac-Mahon ernannte zunächst Dufaure und dann den gemäßigten Republikaner Jules Simon zum Ministerpräsidenten. Ein heftiger Ausfall von Gambetta gegen den herrschenden Klerikalismus lieferte Mac-Mahon den Vorwand, den Ministerpräsidenten am 16. Mai zu entlassen und ihn durch den Herzog von Broglie zu ersetzen. Daraufhin gaben die 363 - republikanischen Abgeordneten die Erklärung ab, daß das neue Ministerium "nicht das Vertrauen der Nation genieße".

Unter dem Druck der Royalisten und mit Zustimmung des Senats löste Mac-Mahon hierauf die Kammer auf, worauf im Sommer 1877 ein leidenschaftlicher Wahlkampf in ganz Frankreich tobte. Die Republikaner sahen sich ihrer Zeitungen und namentlich ihres Führers Gambetta beraubt, der zu drei Monaten Gefängnis verurteilt worden war, und verloren mehrere Sitze, behielten aber mit ihren 321 Abgeordneten gleichwohl die Mehrheit in der Kammer. Mac-Mahon machte noch einen verzweifelten Versuch mit Rochebouet, gab aber schließlich nach und berief am 13. Dezember 1877 abermals Dufaure. In den Teilwahlen von 1879 errangen die Republikaner zum erstenmal die Mehrheit im Senat. Nun war Mac-Mahon geschlagen. Er erklärte seinen Rücktritt und wurde am 30. Januar 1789 durch den bewährten Republikaner Jules Grèvy ersetzt, der dem Amt des Präsidenten der Republik jenen vorwiegend repräsentativen Charakter verlieh, den es in der Folgezeit beibehalten sollte.

Oben rechts: Jules Armand Stanislas Dufaure (* 4. Dezember 1798 in Saujon, Saintonge; † 27. Juni 1881 in Rueil-Malmaison (Hauts-de-Seine) war französischer Jurist, Politiker und zweimaliger Premierminister.

        Die "opportunistische" Republik: Schule und bürgerliche Freiheiten  

                                            J. Grevy                         G.Clemenceau                     Jules Ferry                    C. Sèe

Einig waren sich die Republikaner nur im Kampf gegen die Monarchie, über die politische Zukunft Frankreichs waren sie jedoch durch tiefe Meinungsverschiedenheiten getrennt. Auf der äußersten Linken gab es eine radikale Strömung, die von Clemenceau und Pelletan angeführt wurde und die unverzügliche Ausführung des gesamten republikanischen Programms von Belleville verlangte, das bereits unter dem Zweiten Kaiserreich ausgearbeitet worden war. Es forderte die Trennung von Staat und Kirche, eine Finanzreform, die Einführung der Einkommenssteuer, die Abschaffung des stehenden Heeres und die Wählbarkeit aller Amtsträger. Gemäßigter waren die Anhänger einer eher opportunistischen Strömung, welche der Auffassung waren, daß all diese Reformen nicht auf einmal, sondern nur nach und nach durchgeführt werden könnten, und zwar im jeweils günstigsten Zeitpunkt.

Es forderte die Trennung von Staat und Kirche, eine Finanzreform, die Einführung der Einkommenssteuer, die Abschaffung des stehenden Heeres und die Wählbarkeit aller Amtsträger.

  Zeitsprung: General Boulanger    

General Boulanger

Ohne ihre grundsätzliche Haltung aufzugeben, hatten die Radikalen dem Reformprogramm der "Opportunisten" zugestimmt. Erst 1885 erhoben sie gegen die Kolonialpolitik von Jules Ferry heftigen Widerspruch und trugen nach dem Mißerfolg bei Lang Son in Indochina zum Sturz seines Ministeriums bei. Mit der Kammer, die nun in drei große Parteirichtungen - Radikale, Opportunisten und monarchistische Recht - zerfallen war, konnte das Land nicht mehr regiert werden. Ein Ministerium nach dem anderen wurde gestürzt. Das fügte dem Ansehen der republikanischen Einrichtungen schweren Schaden zu und war der Ausgangspunkt für den unaufhaltsamen Aufstieg des nationalistischen Generals Boulanger. Dieser Offizier verstand es vortrefflich, seine gute Erscheinung, seine Rednergabe und seinen Hang zu Intrigen in den Dienst seines schrankenlosen Ehrgeizes zu stellen. Er galt als überzeugter Republikaner und hatte das Wohlwollen von Clemenceau gewonnen, der ihm 1868 dazu verhalf, Kriegsminister zu werden. Er führte einige Erleichterungen in das harte Militärleben ein, erging sich nach einem Grenzzwischenfall mit Deutschland 1887 in patriotische Reden und wurde auf diese Weise zum populärsten Mann des Regimes. Diese Entwicklung sahen die Republikaner mit Besorgnis und stellten ihn dadurch politisch kalt, daß sie ihm das Kommando über ein Armeekorps in Clermont-Ferrand übertrugen.

General Boulangers Suicid am Grab seiner Geliebten

Aber die Strafversetzung war nur von kurzer Dauer. Seine letzte Wahl erfolgte im Januar 1889 in Paris und gestaltete sich zu einem wahren Triumph. Boulangers Anhänger aus den verschiedensten Lagern hielten nun den Augenblick für gekommen und drängten ihn, zum Elysèe zu marschieren, aber im letzten Moment wies er dieses Ansinnen von sich. Nun besannen sich die Republikaner nicht länger: Sie erhoben beim Obersten Gerichtshof Anklage gegen den ehemaligen General wegen Verschwörung gegen die Sicherheit des Staates und verhalfen ihm im geheimen zur Flucht nach Brüssel, um sein Ansehen zu untergraben. Nach zwei Jahren war der Mann, dem es geglückt war, die Massen in Bewegung zu bringen, in völlige Vergessenheit geraten, er nahm sich aus Verzweifelung am Grab seiner Geliebten in Brüssel das Leben. Clemenceau äußerte mit seinem bekannten Sarkasmus: "Er ist gestorben, wie er gelebt hat: als kleiner Leutnant."

Bild oben: General Boulangers Suicid am Grab seiner Geliebten.

  Zeitsprung: Anarchismus und Syndikalismus    

Eine kleine Gruppe von Anarchisten lehnte die Beteiligung am Parlamentarismus ab und erhoffte sich die Vernichtung der bürgerlichen Gesellschaft durch die Ausübung von Terrorakten. In dieser Absicht warf Vaillant im Dezember 1892 eine Bombe in den halbkreisförmigen Sitzungssaal der Deputiertenkammer, aber bei diesem Anschlag wurde nur ein einziger Abgeorneter verletzt! Im Juni 1894 ermordete ein anderer Anarchist den Präsidenten der Republik, Sadi Carnot, in Lyon. Diese Bewegung verfügte jedoch nur über eine geringe Zahl von Anhängern.

Ermordung des Präsidenten Sadi Carnot in Lyon

Vaillant wirft eine Bombe in den Abgeordnetensaal der Deputierten

In den letzten Jahren des Jahrhunderts wurde Frankreich durch den Panamaskandal in Erregung versetzt. Die 1881 von Ferdinand des Lesseps gegründete Gesellschaft, welche die Aufgabe hatte, den Bau des Panamakanals zu finanzieren, erhielt trotz ihrer schlechten Finanzlage 1888 vom Parlament durch ein Gesetz die Ermächtigung, eine Obligationsanleihe aufzulegen. Dennoch brach die Gesellschaft im folgenden Jahre völlig zusammen. Die Opposition auf der Rechten beschuldigte nun Presseleute und Abgeordnete der Regierungsmehrheit, Bestechungsgelder angenommen zu haben.

Die Untersuchung durch die Staatsanwaltschaft und einem Parlamentsausschuß ergab denn auch, daß die Verwaltung der Gesellschaft einen Teil des Ertrages der Anleihe zu Bestechungszwecken verwendet hatte. In dem darauffolgenden gerichtlichen Verfahren, das beträchtliches Aufsehen erregte, wurde außer den schuldigen Verwaltern der Gesellschaft zwar nur ein ehemaliger Minister überführt und verurteilt, aber zahlreiche führende Politiker der republikanischen Parlamentsmehrheit waren dennoch als Folge einer maßlosen Hetzkampagne der Opposition in den Augen der Öffentlichkeit bloßgestellt, wenn auch das Regime als solches durch den Skandal nicht erschüttert wurde. Aber kurz danach kam es zur Aufdeckung eines der angeblich größten Spionagefälle der Zeit: Zur Affäre Dreyfus.

  Die Dreyfusaffäre   

Der Fall begann die Öffentlichkeit aufzuwühlen, als der dem Generalstab zugeteilte Artilleriehauptmann Alfred Dreyfus, ein Elsässer Jude, beschuldigt wurde, militärische Geheimnisse an Deutschland verraten zu haben, weil im Papierkorb des deutschen Militärattachès Schwarzkoppen ein "Bordereau" gefunden worden war, auf welchem die augehändigten Dokumente verzeichnet waren. Die Handschrift des Bordereaus glich der von Dreyfus. Daher wurde dieser im Dezember 1894 von einem geheimen Kriegsgericht wegen Landesverrats zur Strafe lebenslänglicher Deportation nach Guayana verurteilt, obschon er bis zuletzt seine Unschuld beteuert hatte. Im März 1886 gelangte der Chef des Nachrichtendienstes beim Generalstab, Oberst Picquart, zu der Überzeugung, daß Major Estherhàzy der wahre Schuldige sei, und erreichte schließlich eine Revision des Strafverfahrens. Aber das Kriegsgericht sprach Estherhàzy frei.

Nun griff der Schriftsteller Emile Zola ein. Im Januar 1898 veröffentlichte er in der Zeitung "L' Aurore" unter dem Titel "J' accuse" (Ich klage an) einen offenen Brief an den Präsidenten der Republik, in welchem die Unrechtmäßigkeit des Prozesses gegen Dreyfus und die Parteilichkeit der Rochter aufs schärfste anprangerte. Daraufhin wurde Zola wegen Verleumdung zur Höchststrafe von einem Jahr Gefängnis und zu einer hohen Geldstrafe verurteilt. Bald danach machte man die Enteckeung, daß ein Dokument, das den Ausschag zur Verurteilung von Dreyfus gegeben hatte, von Oberstleutnant Henry, dem Hauptbelastungszeugen in dem Verfahren, gefälscht worden war. Dieser legte ein Geständnis ab, kam daraufhin in Haft und nahm sich schon tags darauf in seiner Zelle das Leben. Nun wurde das Urteil von 1894 aufgehoben und ein neues Verfahren vor dem Kriegsgericht in Rennes, diesmal öffentlich, anberaumt.

Degradierung von Dreyfus

Dieses erklärte im September 1899 Dreyfus wiederum des Hochverrates für schuldig, billigte ihm aber sonderbarerweise mildernde Umstände zu. Erst nachdem weitere Fälschungen enthüllt worden waren, wurde Dreyfus endlich im Jahre 1906 als unschuldig anerkannt und wieder mit allen Ehren in die Armee aufgenommen.

Der Überzeugungskraft Emile Zolas und der Gewissenhaftigkeit des Oberstleuntans Picquart war es zu verdanken, daß das militärgerichtliche Verfahren nach fast fünf Jahren wieder aufgenommen wurde.

Diese Affäre spaltete Frankreich jahrelang in zwei Lager, die sich in unversöhnlicher Feindschaft gegenüberstanden. In dem einen befanden sich antisemitische Nationalisten, die sich in der Patriotenliga von Paul Dèroulède zusammengeschlossen hatten. Diese wurde später zu einer "Liga für das französische Vaterland" erweitert, deren geistige Häupter der Schriftsteller Jules Lemaitre und der Dichter Francois Coppèe waren. Im Februar 1899 versuchten Dèroulède und seine Anhänger, das Elysèe in ihre Gewalt zu bringen, wurden aber verhaftet und hinter Schloß und Riegel gesetzt. Von da an ging es mit der Bewegung abwärts.

Im Verlauf der Dreyfusaffäre spalteten sich die Republikaner in zwei verschiedene Richtungen: Auf der einen Seite die Radikalen und Sozialisten, auf der anderen die Gemäßigten, Konservativen und Nationalisten.

Im Verlauf der Dreyfusaffäre spalteten sich die Republikaner in zwei verschiedene Richtungen: Auf der einen Seite die Radikalen und Sozialisten, auf der anderen die Gemäßigten, Konservativen und Nationalisten.

Angesichts dieser Gefahr des Ultranationalismus und der Rückkehr zur Monarchie, die Charles Maurras in seiner "Action francaise" vertrat, schlossen sich Republikaner und Sozialisten, die für die Revision des Dreyfusprozesses gestritten hatten, 1901 zur "Demokratischen Allianz" zusammen, die Frankreich bis zum Jahre 1905 regierte. Mit Unterstützung der Sozialisten befolgten die Radikalen eine entschiedene antiklerikale Politik. Das Ministerium Waldeck-Rousseau, dem der Sozialist Millerand angehörte, führte auf dem Gesetzesweg das freie Vereinsrecht ein, nahm aber die religiösen Kongretationen ausdrücklich davon aus, die zu ihrer Gründung weiterhin einer vorherigen Ermächtigung durch die Regierung bedurften, wenn sie nicht als gesetzwidrig betrachtet werden wollten. Das Ministerium Combes verschärfte die antiklerikale Politik noch wesentlich, "um den Vorrang der weltlichen Gesellschaft über die Mönchsknechtschaft sicherzustellen". Er wies die meisten Gesuche von Kongretation auf Erteilung der Unterrichtserlaubnis ab, schloß ihre Schulen und entzog ihnen durch Gesetz vom Juli 1904 überhaupt jede Unterrichtsbefugnis, ob sie die Ermächtigung dazu besaßen oder nicht.

Bild oben links: Paul Dèroulède war ein bewunderer General Boulangers und scharte Mitglieder der Patriotenliga um sich. Diese veranstaltete cauvinistische Kungebungen und Umzüge, verherlichte die Armee und forderte Rache für 1870.

Diese scharfen Maßnahmen führten sogleich zum diplomatischen Bruch mit Rom. Dadurch fanden die vielen Zwischenfälle zwischen Frankreich und dem Vatikan seit dem Amtsantritt des neuen, unnachgiebigen Papstes Pius X. ein Ende. Im Dezember 1905 verabschiedete das Parlament nach einem Bericht Aristide Briand ein Gesetz über die Trennung von Staat und Kirche. Von da an gewährleistete die Republik die Gewissensfreiheit und die freie Ausübung der religiösen Bekenntnisse, zahlte der Kirche aber keine Staatsbeiträge mehr, so daß sie nur noch dem Vatikan unterstellt war. Nach der päpstlichen Enzyklika "Vehementer Nos", welche dieses Gesetz in scharfen Worten verurteilte, überließ die Regierung die krichlichen Gebäude Priestern und Gläubigen zu unentgeldlichem Gebrauch. Durch die Aufhebung des Konkordats von 1801 hatten die Radikalen den alten Traum der Republikaner von einem laizistischen Staat verwirklicht.

Die Gegner der Parteien, die für die bestehende Staatsordnung und die Armee eintraten, richteten ihre Anfiffe auch gegen die Kirche, der sie Koneservatismus und Rückständigkeit vorwarfen.

Von 1896 an erlebte Frankreich wieder einen wirtschaftlichen Wohlstand, der den besten Zeiten des Zweiten Kaiserreichs glich. Gewiss gab es auch Schattenseiten, das Sinken der Geburtenziffern und eine übergroße Zahl kleiner bäuerlicher Betrieb, die durch Zölle gegen die Konkurrenz der überseeischen Länder geschützt wurden und bei ihren ererbten und längst überholten Anbaumethoden verharrten. Zudem befand sich die Sozialgebung im Rückstand gegenüber Deutschland, und trotz Fortschritte der Metallindustrie fehlte dem Industriekapital der amerikanische Wagemut. Es gab zuviel Rentner; es wurde zuviel Gold im Strumpf gehortet und dadurch der Industrie als Anlagekapital entzogen. Trotzdem war das Land festgefügt, voller Kraft und Unternehmungslust. Die Benennung dieses Zeitraums als "Belle Epoque" legt davon redtes Zeugnis ab.

Das Zweite Reich - Wilhelm I. und das Reich der Habsburger