Vor 1.600 Jahren war ganz Europa im Umbruch. Die Stämme aus dem Norden drängten in den Süden, die Hunnen brachen aus dem Osten ein, Rauben und Morden bestimmte die folgenden Jahrhunderte. Durch die Völkerwanderung erhielt Europa ein neues Gesicht. Gudruns bitteres Los ist ein typisches Schicksal aus jener stürmischen, kämpferischen Zeit.

AUSFAHRT UND LIST

König Hetel beruft seine Helden Morung von Friesland und Irold von Ortland zu sich und fragte sie, welche Jungfrau würdig wäre, mit ihm als Königin den Thron der Hegelingen zu teilen?

König Hetel von Hegelingen herrschte über ein Reich, das sich von Friesland bis nach Dänemark erstreckte, von den Gestaden der Nordsee bis tief hinein in die Ostsee mit ihren mächtigen grünen Inseln. Ehe er von seinem Vater Krone und Thron geerbt hatte, war er als Knabe und Jüngling von seinem Verwandten Wate auf Stürmen im Dänenland aufgezogen worden. Wate war ein bärenstarker, ruhmreicher Recke mit einem ellenbreiten weißen Bart, der ihm bis zum Gurt niederwallte. Sein Auge war blau wie die See und konnte vor Freude und Fröhlichkeit blitzen. Doch wenn Wate zornig wurde, verdunkelte sich sein Blick, und wehe dem, der ihm dann zu nahe kam.

Bei Wate hatte Hetel ritterliche Zucht und den Gebrauch der Waffen gelernt. Er hätte keinen besseren Lehrmeister haben können. Nun gebot der Jüngling als König über das Hegelingenland mit seinen achtzig Burgen und seinen zahllosen Siedlungen. Die Fürsten und das Volk dienten ihm in Treue und Ehrfurcht.

Doch König Hetel lebte freudlos in seiner Burg Matelane, denn ihm fehlte eine liebevolle Gemahlin. Deshalb berief er die Helden Morung von Friesland und Irold von Ortland zu sich und fragte sie, welche Jungfrau würdig wäre, mit ihm als Königin den Thron der Hegelingen zu teilen.

"Nur ein einziges Mädchen ist deiner würdig", antworteten die jungen Fürsten wie aus einem Mund: "Hilde, die schöne Tochter König Hagens von Irland, den man wegen seines unbezähmbaren Zorns den Teufel unter den Königen nennt." "Erzählt mir von ihm und von seiner Tochter!" forderte Hetel die beiden Fürsten auf. So berichtete Morung von Friesland: "König Hagen war als Knabe im zarten Alter von einem Greif verschleppt worden. Der furchtbare Vogel hatte ihn durch die Lüfte auf ein wüstes Eiland getragen und seinen Jungen im Horst zum Fraß vorgeworfen. Der Knabe aber war aus dem Nest geklettert und im Walde umherirrend zu einer Höhle gelangt, in der sich drei Königstöchter verborgen hielten, die der Greif gleichfalls entführt hatte. Hagen wurde der Beschützer der Mädchen. Jahrelang wohnten sie gemeinsam in der Höhle. Als an einem stürmischen Tag ein Schiff voll bewaffneter Ritter an der Insel zerschellte, fand Hagen ein Schwert im Sand. Das hob er auf, lief damit auf eine Lichtung unweit des Greifenhorstes, und als die grausigen Vögel seiner ansichtig wurden und sich auf ihn stürzten, um ihn mit ihren Fängen und Schnäbeln zu zerreißen und zu zerhacken, hieb er ihnen die Köpfe ab. Dann baute er mit vieler Mühe ein floß, hieß die Mädchen aus Schlinggewächsen, Ruten und Tannenzweigen ein Segel flechten und führte sie mit diesem einfachen Fahrzeug unter unsäglichen Gefahren in die Heimat zurück. Eines der Mädchen nahm er zur Frau, sie gebar ihm Hilde, deren jugendliche Schönheit alle Sänger rühmen."

"Sie muß mein werden!" rief Hetel. "Macht euch auf, Morung und Irold, reist nach Dänenland zu Horand, meinem Neffen, und bittet ihn, er möge kommen und auch den jungen Frute mitnehmen, der ist stark und schlau. Die sollen mir Hilde von Irland als Braut zuführen!"

Horand von Dänemark war nicht nur ein kühner Recke, sondern auch ein berühmter Sänger, den Lichtalben und Wassergeister selbst in der Kunst des Liedes und des Saitenspiels unterwiesen hatten. Als er mit Frute bei Hetel eintrat und des Königs Wunsch vernahm, sagte er: "Um Hilde von Irland zu werben, ist ein gewagtes Stück. König Hagen liebt die Jungfrau mehr als sein Leben. Wer um sie zu werben wagt, den erschlägt er entweder gleich selbst oder läßt ihn an den nächsten Baum hängen."

"Wer meine Boten tötet, ist selber des Todes!" sagte Hetel drohend. "Mit eigener Hand räche ich sie!" Da meldete sich Frute, der Listige, zu Wort und meinte: "Entsende doch Wate als Boten nach Irland, ihm mag es vielleicht gelingen, dir Hilde zuzuführen,denn wer wollte Wate widerstehen?"

"Auf!" rief Hetel. "Sendet Boten nach Stürmen! Ich lasse Wate zu mir bitten. Er wird nicht zögern, zu reiten oder zu segeln, wohin ich ihm befehle!" Wate kam. Der Boden zitterte, als er eintrat und sich breitbeinig vor seinen Zögling und König stellte. "Was begehrt man von mir?"


"Man riet mir, dich als Boten nach Irland zu schicken,
bei König Hagen für mich um seine schöne Tochter zu werben", antwortete Hetel.

Da verdunkelte sich Wates Auge, und er rief: "Wer dir das riet, der muß mein Todfeind sein oder Frute von Dänenland heißen!" Da hellte sich seine Miene jählings wieder auf, sein Auge blitzte Frute an, und er sagte lachend: "Warte, du Listenreicher: Ich fahre nach Irland, aber du und Horand, ihr müßt mit mir fahren, und Morung und Irold auch. Wer meine Ruhe mutwillig stört, der soll auch die Arbeit mit mir teilen! Ihr wißt, wie grimmig Hagen sein Kind bewacht, oder nicht?" schloß er voll Hohn.

"Spare die Worte", lachte nun auch Frute, "unter deinem Schutz wagen wir manches. Mit dir entführen wir Hilde, und mag sie der Teufel Hagen noch so sehr behüten. Wäre es nicht klug, als Kaufleute verkleidet an Irlands Küste zu landen? Horand mag singen, Frute könnte Geld und Edelsteine unter die Leute verteilen und kostbar gewirkte Stoffe an die Frauen verkaufen." "Haltet das, wie ihr wollt", brummte Wate, "ich bin kein Krämer, und meine Kehle ist rauh." Darauf wandte er sich wieder zu König Hetel und sagte: "Laß für mich und meine Recken neue, feste Schiffe bauen: nicht zu viele, nicht zu wenige, aber so geräumig, daß wir uns darin unter Deck verbergen können. Außerdem mußt du mir deine besten Streiter mitgeben, sie sollen uns helfen, wenn uns Hagen mit unserem Raub nicht in Frieden ziehen läßt."

Also ließ König Hetel die kostbarsten Kleinodien, Ringe und Spangen aus rotem Gold, schwere Schmuckketten, getriebene Becher und mit Edelsteinen übersäte blitzende Diademe aus seinen Schatzkammern holen und bereitlegen, dazu die schwersten gold - und silberdurchwirkten Stoffe. Er ließ aber auch breite, seetüchtige Schiffe bauen, die mit starken Bohlen gedeckt wurden. Den ganzen langen Winter über wurden Beile und Äxte geschwungen, wurden Balken und Bretter geschleppt, Kiele gelegt und Spanten gebogen, Sägen und Hämmer kamen nicht zur Ruhe. Ein Schiff nach dem anderen lief von Stapel: purpurrot und goldbestickt waren die Segel, mit Silber waren die Fugen längs der Schiffswände gebunden, die Ruder - Griff und Blatt - waren mit hauchdünn gehämmertem Gold überzogen.


Ein Schiff nach dem anderen lief vom Stapel

Es wurde Frühling. Horand und Frute, Morung und Irold, die den Winter auf ihren Burgen verbracht hatten, trafen mit ihrem Gefolge wieder an Hetels Hof ein. Staunend betrachteten sie die nagelneue, glänzende Flotte, die da vor Burg Matelane im Hafen lag. Auch König Hetels Schmiede hatten nicht gerastet, und als Wate mit den Seinen ankam, fand er einen Berg schimmernder Brünnen, starker Helme und scharfer Waffen vor. Sie wappneten sich und krochen dann gemeinsam mit Hetels kühnsten Kriegern in den Bauch der Schiffe. Dort wurde ihnen der Platz fast zu eng, so viele Schätze hatten Horand und Frute schon einladen lassen.

"Daß doch diese Krämerseelen nie genug bekommen können!" fluchte Wate scherzend. Dann befahl er, die Segel zu hissen. "Wir bringen dir Hagens Kind als Braut, oder du siehst uns nimmermehr!" rief er Hetel zu, der, am Ufer stehend, die Ausfahrt beobachtete.

"Ich habe dir meines Reiches blühendste Jugend anvertraut", rief Hetel Wate nach, "hüte sie wohl, und bringe sie mir heil zurück!" Aber Meeresrauschen und Windesbrausen verschlangen seine Worte.

Horand und Frute standen mit Morung und Irold an Deck und winkten lachend zurück. Da krampfte sich des Königs Herz zusammen: So sehr er des Irenkönigs schöne Tochter herbeisehnte, so sehr schmerzte ihn der Gedanke, er könnte um ihretwillen seine besten Helden und Freunde verlieren.

Nach langer, wechselvoller Fahrt näherte sich das Geschwader der Hegelingen Irland. Schon von weitem sah man die herrlichen Schiffe herankommen, und jung und alt lief aus König Hagens Burg an den Strand. Die Burg hieß Baljan.

Die Hegelingenschiffe ankern vor König Hagens Burg.

"Nun zeige, wie listenreich du bist", sagte Wate zu Frute, "ich füge mich dir. Gelingt der Raub ohne Kampf, um so besser!" Da befahl Frute sechzig Streitern, sich der Brünnen und Waffen zu entledigen und statt dessen feine Gewänder aus Samt und Seide anzuziehen. Er selbst kleidete sich noch prächtiger als sie, und als die Schiffe angelegt hatten, schritt er mit seiner Schar an Land. Zwei seiner Leute sandte er mit einem Beutel voll ausgesuchter Perlen und Edelsteine hinauf zu Hagen in die Burg und ließ ihn um seinen königlichen Schutz bitten.

"Wer seid ihr?" forschte König Hagen.

"Kaufleute aus Hegelingen", antworteten die beiden, "wir kommen von weit her."

"Sagt eurem Herrn: Ich entbiete ihm Frieden und sicheres Geleit. Wer meine Gäste kränkt, büßt dafür am Galgen." Sie waren entlassen.

Nun schlug Frute am Ufer geschäftig seinen Kramladen auf. Von weit und breit kamen die Leute herbei und kauften, denn noch nie hatten Händler so schöne Dinge so billig feilgeboten. Und wieviel sie auch kauften, der Laden wurde nicht leer: was ausging, wurde sogleich wieder aus den Vorräten in den Schiffen ergänzt. War aber einem der niedrige Preis noch zu hoch, so wurde ihm, was er wollte, lächelnd geschenkt. Kein Wunder, daß König Hagen den fremden Kaufleuten bald wohlgesinnt war, daß er sie eines Tages einlud, in seine Burg zu kommen, um mit ihm zu speisen und zu trinken.


Die Hegelingen auf König Hagens Burg.
In der Mitte rechts der alte, grimmige Wate, dem die Verkleidung gar nicht behagte.

Frute nahm die Einladung dankbar an. Er schloß sogleich seinen Laden und begab sich auf das Schiff, in welchem sich Wate mit seinen Streitern verborgen hielt. Der Alte murrte, weil sie schon so lange untätig im Dunkeln dösen und schwitzen mußten. Mit vieler Mühe bewog Frute den Recken, sich gleichfalls wie ein vornehmer Kaufmann zu kleiden und mitzukommen. Widerwillig ließ sich Wate ein weites, faltiges Gewand aus besticktem Samt mit einem goldenen Gürtel anlegen, und Frute flocht ihm eigenhändig goldene Bänder in Haar und Bart. Dann schritten sie beide mit kleinem Gefolge den Strand zur Burg hinan.

"Lieber würde ich mit bloßen Händen gegen ein ganzes Heer kämpfen", fauchte Wate zornig in seinen Bart, "als so läppisch gekleidet und geschmückt wie ein Weib vor einem Helden wie König Hagen zu erscheinen!"

"Beruhige dich", bat Frute, "denk daran, daß du sogleich die künftige Königin der Hegelingen sehen wirst." "Dürfte ich doch mit dem Schwert um sie kämpfen!" knirschte Wate. "Das kommt, fürchte ich, früh genug", entgegnete ihm Frute. König Hagen empfing sie und ihr Gefolge mit hohen Ehren, die Königin und die schöne Hilde, bei deren Anblick selbst dem alten Wate der Atem stockte, betrachteten sie mit neugierigen Blicken.

Sie wurden köstlich bewirtet. An der Tafel saß Wate zwischen der Königin und Hilde und mußte von ihnen allerlei neckenden Scherz erdulden, denn sie sahen wohl, daß er nur sehr ungern bei Frauen saß. "Hat er daheim nicht Haus und Land, ein holdes Weib und Kinder, die er herzlich liebt?" fragte die Königin lachend. Da Wate finster blickend schwieg, antwortete Frute schnell: "Gewiß hat er Weib und Kind daheim, ein festes Haus und viel Land zu Lehen. Er ist ein kühner Mann!"

"Ei, ei", rief Hilde und lachte laut, "das klingt ja fast, als wäre er ein Ritter und kein Händler!" Wate fühlte, wie sein Blick dunkel wurde, aber er beherrschte sich um seines Herrn Hetel willen. Nach Tisch wurden er und Frute von den Frauen zum Brettspiel eingeladen, Wate mußte Hilde gegenüber Platz nehmen und die Steine rücken. Er tat es unter grimmigem Schweigen. Als aber plötzlich aus dem Hof, wo auf König Hagens Befehl zur Kurzweil der Gäste gerade ein munteres Kampfspiel begann, der Lärm splitternder Lanzen und schlagender Schwerter in den Saal drang, litt es Wate nicht länger. Er sprang auf, eilte ans Fenster und schaute zu.

Zu Ehren seiner Gäste gab König Hagen ein Kampfspiel vor seiner Burg

"Habt Ihr daheim je so wackere Kämpfer gesehen wie hier in Irland? " fragte Hagen seinen Gast. "Nein", log Wate, "doch möchte ich gerne einmal an einem Turnier teilnehmen. Fände ich nur einen tüchtigen Meister in der Fechtkunst ­ein Jahr lang würde ich zu ihm in die Lehre gehen und ihn dann reich entlohnen!" "Der Meister will ich sein!" rief Hagen. "Gebt uns Schwert und Schild! Ich will unserem Gast vier gute Hiebe lehren, für die er mir sein Lebtag lang danken soll!" Dann lief er mit Wate in den Hof hinab.

Wie staunten alle Ritter, als sie den fremden Kaufmann mit dem König fechten sahen! Hageldicht fielen die Schläge, und Hagen merkte sogleich, daß er an einen Ebenbürtigen geraten war. Er kam in Zorn weil Wate ihn gefoppt hatte, aber er bezähmte sich und rief: "So schnell sah ich noch keinen das Fechten erlernen wie dich, Alter!"

Sie fochten so lange, bis ihre Klingen bei einem wuchtigen Schlag beide zugleich zersprangen und sie nur noch Griff und Knauf in den Fäusten hielten. Da lachten sie aus vollem Hals und gingen einträchtig zurück in den Saal. Nun veranstaltete Hagen fast alle Tage irgendein Spiel für seine Gäste, einmal einen Wettlauf, ein andermal Steine schleudern oder Speerwerfen. Eines Abends erbot sich deshalb Horand, dem König für soviel Kurzweil mit einem Lied zu danken.

"Ihr seid wahrhaftig kunstreiche Kaufleute", sagte Hagen verwundert und nahm mit seinen Rittern im Saal Platz. Horand stimmte sein Saitenspiel und begann zu singen. So wundersüß klang sein Lied, daß selbst die Nachtigallen im Burganger verstummten und lauschten. Die Königin in der Frauenkammer horchte auf und fragte: "Wer mag das sein, der da singt? Noch nie hörte man auf Baljan so herrlichen Gesang!" Hilde aber gab einem Kämmerling Gold: damit sollte er den fremden Sänger bestechen, noch diesen Abend heimlich in ihre Kammer zu kommen. Horand konnte seine Freude über diese Botschaft kaum bezähmen: nun würde er endlich der Jungfrau von König Hetel erzählen können! Als er, von dem Kämmerling über dunkle Hintertreppen geleitet, vor Hilde stand, bat sie: "Singt mir das Lied noch einmal, mit dem Ihr die Ritter im Saal erfreut habt!"

"Ach", erwiderte Horand, "wie gerne erfüllte ich Euren Wunsch, schlüge mir König Hagen nicht das Haupt ab dafür, daß ich bei Euch in der Kammer weile. Kämt Ihr jedoch mit mir in meines Herrn Land, dort wollte ich Euch alle Tage mit tausend Liedern dienen!"

Horand in der Kemenate von Prinzessin Hilde

"Wer ist dein Herr? Hat er Land und Leute? Trägt er eine Krone? Erzähle mir von ihm!" "Mein Herr ist König Hetel von Hegelingen", flüsterte Horand erregt, "weit von hier, am Gestade zweier Meere, liegt sein Reich, und wenn du, Königskind, mich nicht verrätst, will ich dir alles von meinem Herrn sagen!" "Sei ohne Sorge, sprich!" drängte die Jungfrau.

"Mein Herr ist dir in großer Liebe zugetan", sagte Horand, "um deinetwillen hat er uns als Kaufleute verkleidet nach Irland geschickt. Er begehrt dich zum Weib, du sollst Königin des Hegelingenreiches werden!" "Und wenn ich euch folgte in Herrn Hetels Land, würdest du dort jeden Abend für mich singen?" "Gewiß! Doch viel schöner noch als ich singt König Hetel selber: Wenn er den Mund öffnet, halten die Wasser im Lauf inne, und die Fische schwimmen herzu, ihm zu lauschen. Stürme besänftigt sein Gesang, Todkranke erheben sich geheilt vom Lager, wenn sein Lied sie erreicht, den Wegmüden erquickt seine Stimme so sehr, daß er einen Ritt von tausend Stunden im Nu vergißt. Das Herz der Frau aber, die ihn nur reden hört, verfällt ihm in Liebe."

Da senkte König Hagens Tochter den Kopf und meinte errötend: "Ist euer Herr so herrlich, gerne folgte ich euch noch heute in sein Land. Wie aber soll ich meinem Vater entfliehen, der mich jedem verweigert und noch jeden Werber vor der Burg hängen ließ?" "Seid unbesorgt", tröstete sie Horand, "haltet nur Augen und Ohren offen, es wird sich ein Weg finden." Verstohlen, wie er gekommen war, entschwand der schlaue Sänger; der Kämmerling hatte ihn geholt, denn unten im Saal rüstete man bereits zum Aufbruch, da durfte Horand nicht fehlen.

Als die verkleideten Recken sich wieder auf ihren Schiffen befanden, zog Horand den Wate beiseite und flüsterte ihm ins Ohr: "Hilde ist unserem Herrn in Liebe zugetan, ich weilte bei ihr in ihrer Kammer!" "Das hätte dir den Kopf kosten können", sagte Wate und hieb Horand vor Freude auf die Schulter. "Komm unter Deck, daß wir sogleich beraten, wie wir die Jungfrau entführen. Dann soll es endlich heimwärts gehen, ehe meine Gefährten in diesen Krämerkähnen verfaulen und verkommen!"

Fortsetzung folgt!