Helmut Kohl, Deutschlands sechster Bundeskanzler.

Er war von 1969 bis 1976 Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz und von 1982 bis 1998 der sechste Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. Von 1973 bis 1998 stand er seiner Partei vor, danach war er bis 2000 Ehrenvorsitzender.

Kohl: CDU-Spitzenpolitiker und Modernisierer der Partei.

Kohl war in den 1970er-Jahren einer der jüngsten CDU-Spitzenpolitiker und galt als Modernisierer der Partei, die 1969 erstmals im Bund in die Opposition geraten war. 1976 erzielte er als Spitzenkandidat ein sehr gutes Ergebnis, konnte aber die Regierung Schmidt nicht ablösen und ging nach Bonn als Chef der CDU/CSU-Fraktion. In den kommenden Jahren hatte er Schwierigkeiten, sich klar gegenüber dem CSU-Vorsitzenden Franz Josef Strauß zu behaupten; so kam es 1980 auf Druck der Fraktion auch zur Kanzlerkandidatur von Strauß, während Kohl Ernst Albrecht lieber gesehen hätte. Anmerkung: Vielleicht wäre es besser gewesen?

Ernst Albrecht, ehemaliger Ministerpräsident von Niedersachsen.

Während Strauß sich auf der politischen Rechten profilierte, wollte Kohl durch einen gemäßigten Kurs die Mitte ansprechen und die FDP aus der Koalition mit der SPD lösen. Dies gelang ihm 1982, als eine neue CDU/CSU-FDP-Fraktion Kohl zum Bundeskanzler wählte. Kohl sprach von einer geistig-moralischen Wende und wollte den Leistungsgedanken stärker betonen. Neben der europäischen Einigung sah er die Deutsche Wiedervereinigung als wichtiges Ziel an. Davon abgesehen war Kohl eher pragmatisch und folgte den politischen Tendenzen in seiner Partei bzw. in der Koalition.

Kohl gestaltete den Prozess der Wiedervereinigung 1989/1990 entscheidend mit. Umstritten blieb er wegen der CDU-Spendenaffäre, durch die er 2000 den Ehrenvorsitz seiner Partei verlor: Kohl hatte Großspenden angenommen, die Namen der Spender aber illegalerweise nie genannt. Kohl, der in besonderem Maße Gegenstand von Satire geworden ist, hat ebenso im besonderen Maße nationale und internationale Auszeichnungen erhalten.

Vom Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz zum Oppositionsführer.
Ehemaliger Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, Helmut Kohl.

Bei der Bundestagswahl 1976 trat er erstmals als Kanzlerkandidat seiner Partei an. Die CDU/CSU verfehlte die absolute Mehrheit mit 48,6 Prozent der Stimmen nur knapp und die sozialliberale Koalition behauptete sich. Das war das bis dahin zweitbeste Wahlergebnis der CDU/CSU überhaupt. Kohl trat nach der Wahl als Ministerpräsident zurück und wurde als Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag in Bonn Oppositionsführer. Sein Nachfolger als Ministerpräsident wurde am 2. Dezember 1976 Bernhard Vogel.

Nach der verlorenen Wahl fasste die CSU den Kreuther Trennungsbeschluss zur Aufhebung der Fraktionsgemeinschaft mit der CDU, Kohl konnte jedoch gegen den CSU-Vorsitzenden Franz Josef Strauß die Fortführung durchsetzen. Bei der Bundestagswahl 1980 musste er dafür Strauß den Vortritt bei der Kanzlerkandidatur lassen. Da Strauß jedoch nach der verlorenen Wahl Ministerpräsident in Bayern blieb, war Kohl weiterhin Oppositionsführer.

Wahl und Auflösung des Bundestages.
"Herr Präsident, ich nehme die Wahl an".
Schmidt gratuliert Kohl zu dessen Wahl als Kanzler.

Nach dem Bruch der sozial-liberalen Koalition von Bundeskanzler Helmut Schmidt am 17. September 1982 – es bestanden schwerwiegende Meinungsverschiedenheiten über die zukünftige Wirtschaftspolitik in der Bundesrepublik – nahmen FDP und CDU/CSU am 20. September 1982 Koalitionsgespräche auf. Anlass für den Bruch war u. a. ein Strategiepapier der FDP, das von Otto Graf Lambsdorff ausgearbeitet worden war und neoliberale Positionen zur Reform des Arbeitsmarkts enthielt.

Kohl wurde für das Amt des Bundeskanzlers nominiert und am 1. Oktober 1982 im Rahmen des ersten erfolgreichen konstruktiven Misstrauensvotums in der Geschichte des Bundestages gegen den amtierenden Bundeskanzler Helmut Schmidt zum sechsten Bundeskanzler gewählt. Bundesaußenminister wurde, wie bereits in der sozial-liberalen Koalition, Hans-Dietrich Genscher. Der Koalitionswechsel war innerhalb der FDP sehr umstritten.

Helmut Kohls Vereidigung als Kanzler.

Da die FDP mit einer Koalitionsaussage zugunsten der SPD in den Wahlkampf 1980 gegangen war, wurde eine fehlende materielle Legitimation behauptet; formal war der Schritt aber verfassungskonform. Hinzu kam, dass Kohls Kanzlerschaft nicht aus Bundestagswahlen hervorgegangen war. Darum stellte Kohl im Bundestag die Vertrauensfrage, über die am 17. Dezember 1982 entschieden wurde. Nachdem die Regierungskoalition am Tag zuvor mit breiter Mehrheit den Bundeshaushalt für 1983 verabschiedet hatte, enthielt sich die Mehrzahl der Abgeordneten der Regierungskoalition vereinbarungsgemäß der Stimme, wodurch das gewünschte Ergebnis zustande kam:

Keine Mehrheit für den Bundeskanzler und damit die Möglichkeit, dem Bundespräsidenten die Auflösung des Parlamentes vorzuschlagen. Nach längerem Zögern entschied sich Bundespräsident Karl Carstens im Januar 1983 für die Auflösung des Bundestags und die Ausschreibung von vorgezogenen Neuwahlen für den 6. März 1983. Gegen diese Vorgehensweise klagten einige Abgeordnete vor dem Bundesverfassungsgericht. Dieses entschied aber, dass die Auflösung des Bundestages verfassungsgemäß erfolgt sei.

Heute spricht das Bundesverfassungsgericht fast nur noch für die Regierung.
Manche Urteile sind kaum noch zu begreifen. Nun ja, wess Brot ich ess...
Die ersten Jahre der Kanzlerschaft.

Bei der Bundestagswahl am 6. März 1983 gewann die Koalition aus CDU/CSU und FDP mit Stimmengewinnen für die CDU/CSU (48,8 Prozent, +4,3 Prozentpunkte) und deutlichen Stimmenverlusten für die FDP (7,0 Prozent, -3,6 Prozentpunkte) die Mehrheit der Sitze im Bundestag. Helmut Kohl, der zwischen 1976 und 1998 sechsmal als Kanzlerkandidat antrat, erzielte sein bestes Wahlergebnis und außerdem das zweitbeste der Unionsparteien in der Geschichte der Bundesrepublik. Kanzlerkandidat der Sozialdemokraten war der ehemalige Bundesjustizminister und Münchener Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel. In den ersten Jahren seiner Amtszeit setzte Kohl den noch unter der Regierung Schmidt gefassten NATO-Nachrüstungsbeschluss gegen den Widerstand der Friedensbewegung durch.

Im Zuge der Flick-Affäre um illegale Zahlungen des Flick-Konzerns an deutsche Politiker wurde Kohl durch wg. Kohl-Eintragungen im sichergestellten Kassenbuch belastet. Im Untersuchungsausschuss des Bundestags und des Mainzer Landtags sagte Kohl die Unwahrheit in Bezug auf seine Kenntnis des Zwecks der Staatsbürgerlichen Vereinigung als Spendenbeschaffungsanlage und entging nach einer Anzeige von Otto Schily nur knapp einem Strafverfahren wegen uneidlicher Falschaussage. Kohls Parteifreund Heiner Geißler verteidigte ihn später mit dem berühmt gewordenen Kommentar, er habe wohl einen "Blackout" gehabt.

Kohl spricht in Israel von der "Gnade der späten Geburt."

So beschreibt die Süddeutsche Zeitung Kohls Auftreten in Yad Vashem. Der nächste Programmpunkt sieht eine Rede Kohls in der Knesset, dem israelischen Parlament, vor. Hier wird es dem Kanzler nicht leicht gemacht: Drei Abgeordnete verlassen demonstrativ den Saal, als Kohl eintritt, ein vierter hält ein Plakat hoch, auf dem der Davidstern, Stacheldraht und die Worte 'Nicht vergessen' abgebildet sind. Die Unruhe steigert sich noch, als Helmut Kohl mit diesem Satz seine Rede beginnt: Ich rede vor Ihnen als einer, der in der Nazizeit nicht in Schuld geraten konnte, weil er die Gnade der späten Geburt und das Glück eines besonderen Elternhauses gehabt hat.Helmut Kohl ist Jahrgang 1930. Für ihn scheint die Tatsache, dass er bei Kriegsende erst 15 Jahre alt war, einem Freispruch von historischer Verantwortung gleichzukommen. Als würde sich der Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit mit dem Aussterben der Tätergeneration von selbst erledigen und den Weg freimachen für ein 'normales' Verhältnis zwischen Deutschland und Israel.

Kohls Auftreten in Yad Vashem.
Kohl und der französische Staatspräsident François Mitterrand. Mitterrand machte es
vor der Wiedervereinigung zur Bedingung, dass der Euro eingeführt wurde.
Kohl und der französische Staatspräsident François Mitterrand.

Am 22. September 1984 trafen sich Kohl und der französische Staatspräsident François Mitterrand am Ort der Schlacht um Verdun, um gemeinsam der Toten der beiden Weltkriege zu gedenken. Das Foto ihres minutenlangen Händedrucks wurde ein Symbol der deutsch-französischen Aussöhnung. Kohl und Mitterrand wurde in den folgenden Jahren ein besonders enges Vertrauensverhältnis nachgesagt. Sie brachten gemeinsame Projekte wie das Eurokorps und den Fernsehsender ARTE auf den Weg. Auch Fortschritte der europäischen Einigung wie der Vertrag von Maastricht und später die Einführung des Euro wurden wesentlich der engen deutsch-französischen Zusammenarbeit zugeschrieben.

Kohl gemeinsam mit US-Präsident Ronald Reagan in Bitburg.
Kohl und R. Reagan auf dem Soldatenfriedhof Bitburg.
Am 5. Mai 1985 legte Kohl gemeinsam mit US-Präsident Ronald Reagan in Bitburg einen Kranz auf dem dortigen Soldatenfriedhof nieder. Dies wurde in Teilen der deutschen und amerikanischen Öffentlichkeit heftig diskutiert, weil dort auch Angehörige der Waffen-SS beerdigt sind.
Beginn der Montagsdemonstrationen in Leipzig.
Montagsdemonstrationen in Leipzig.

Die Montagsdemonstrationen waren ein bedeutender Bestandteil der Friedlichen Revolution in der DDR im Herbst 1989. Es waren Massendemonstrationen, die seit dem 4. September 1989 in Leipzig stattfanden. Im Herbst 1989 fanden auch in anderen Städten der DDR, beispielsweise in Dresden, Halle, Karl-Marx-Stadt, Magdeburg, Plauen, Arnstadt, Rostock, Potsdam und Schwerin, regelmäßige Massendemonstrationen statt, zum Teil auch an anderen Wochentagen.

Mit dem Ruf "Wir sind das Volk" "Wir sind ein Volk"! Gewalt unter uns hinterläßt ewig blutende Wunden! Für die entstandene ernste Situation müssen vor allem Partei und Regierung verantwortlich gemacht werden! " meldeten sich Woche für Woche Hunderttausende DDR-Bürger im ganzen Land zu Wort und protestierten gegen die politischen Verhältnisse. Ziel war eine friedliche, demokratische Neuordnung, insbesondere das Ende der SED-Herrschaft.

Die Montagsdemonstrationen entwickelten sich zu einer Massenbewegung. Die Parolen "Auf die Straße!", "Wir sind das Volk" und "Keine Gewalt!" verfehlten ihre Wirkung nicht. Der Wendepunkt der Montagsdemonstrationen war der 9. Oktober 1989 – die erste Protestdemonstration mit unerwartet hoher Massenbeteiligung, bei der viele Beteiligte aller Seiten die gewaltsame Reaktion der chinesischen Staatsmacht auf dem Platz des himmlischen Friedens im Hinterkopf hatten, aber letztlich nichts derartiges geschah. Mitglieder von Oppositionsgruppen druckten am Vorabend in der Lukasgemeinde bei Christoph Wonneberger einen Aufruf zur Gewaltfreiheit. Die 25.000 Flugblätter richteten sich an "Einsatzkräfte" und Demonstrationswillige gleichermaßen mit der beschwörenden Formel:

"Wir sind ein Volk! Gewalt unter uns hinterläßt ewig blutende Wunden! Für die entstandene ernste Situation müssen vor allem Partei und Regierung verantwortlich gemacht werden!"

Zum friedlichen Ausgang trug auch der abendliche Aufruf sechs prominenter Leipziger um Gewandhauskapellmeister Prof. Kurt Masur, Theologe Dr. Peter Zimmermann, Kabarettist Bernd-Lutz Lange und die Sekretäre der SED-Bezirksleitung Leipzig Dr. Kurt Meyer, Jochen Pommert und Dr. Roland Wötzel bei:

Unsere gemeinsame Sorge und Verantwortung haben uns heute zusammengeführt. Wir sind von der Entwicklung in unserer Stadt betroffen und suchen nach einer Lösung. Wir alle brauchen einen freien Meinungsaustausch über die Weiterführung des Sozialismus in unserem Land. Deshalb versprechen die Genannten heute allen Bürgern, ihre ganze Kraft und Autorität dafür einzusetzen, dass dieser Dialog nicht nur im Bezirk Leipzig, sondern auch mit unserer Regierung geführt wird. Wir bitten Sie dringend um Besonnenheit, damit der friedliche Dialog möglich wird. Aufruf der Sechs, verlesen von Kurt Masur am Abend des 9. Oktober 1989.

Am 16. Oktober 1989 nahmen bereits 120.000 Demonstranten teil (militärische Einheiten wurden noch in Reserve gehalten), eine Woche später wuchs die Zahl auf 320.000. Dies war die größte Montagsdemonstration in Leipzig. Die Protestmärsche endeten im März 1990, kurz vor oder nach den ersten freien Volkskammerwahlen.

Besonnen handelnder Gorbatschow.
Fälschlich zitiert: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben!

Er machte die deutsche Wiedervereinigung erst möglich durch seíne Perestroika. Dennoch: 20 Jahre nach dem Zerfall der Sowjetunion wird der einstige Staatschef Michail Gorbatschow im Westen nach wie vor geachtet und mit Preisen geehrt. In Russland wird Gorbatschow dagegen verachtet - oder ist schlicht vergessen. Woher kommt diese Diskrepanz? Vor allem: Was ist übrig von Glasnost und Perestroika im Russland von heute?

Trotz Bruderkuss: Keine Unterstützung für Honecker.
Gorbatschow wahrt die Fason. Wusste er schon bescheid?
Ausreisewelle über Ungarn.
Am 27. Juni 1989 durchtrennte Gyula Horn den Grenzzaun.
Ungarische Grenzsoldaten entfernen den Stacheldraht der Grenze.

International bekannt wurde Gyula Horn 1989 durch die Öffnung des Eisernen Vorhangs: Am 18. April hatte Ungarn begonnen die Grenzzäune zu Österreich abzubauen. Am 27. Juni 1989 durchtrennte Gyula Horn, der ungarische Außenminister, zusammen mit seinem österreichischen Amtskollegen Alois Mock in einer symbolischen Aktion den Stacheldraht an der Grenze zwischen Österreich (Klingenbach) und Ungarn (Sopron). DDR-Bürger, die in Ungarn Urlaub machten, nutzten die Gelegenheit, über Österreich nach Westdeutschland zu gelangen. Horn verkündete im ungarischen Fernsehen am 10. September, dass Ungarn den vielen DDR-Bürgern, die sich im Land aufhielten, die Ausreise gestatten werde. Damit trug er entscheidend zum Fall der Berliner Mauer am 9. November bei. Am 19. August 1989 fand mit ungarischer Billigung das Paneuropäische Picknick, bei dem einige hundert DDR-Bürger nach Österreich gelangten. Dies ermutigte in den Wochen darauf tausende DDR-Bürger, einen Grenzübertritt von Ungarn nach Österreich zu versuchen; Tausende reisten dafür aus der DDR an.

Hunderte DDR-Bürger gelangten über Ungarn nach Österreich.
Besetzung der Deutschen Botschaft in Prag.
Flucht in die Deutsche Botschaft in Prag.
Die Deutsche Botschaft platzt aus allen Nähten.
Außenminister Genscher gelingt es, das Drama zu beenden.
Am 3. November erlaubten die CSSR-Behörden die Ausreise.

Ab August 1989 geriet die Prager Botschaft in den Blickpunkt der Medien, als DDR-Bürger dort Zuflucht suchten. In den folgenden Wochen besetzten Tausende das Gelände, worauf die DDR-Behörden einlenkten und ab 30. September insgesamt 17.000 ihrer Bürger die Ausreise in die Bundesrepublik erlaubten. Am 3. November erlaubten die CSSR-Behörden den DDR-Bürgern die unreglementierte Ausreise in den Westen und hoben somit ihren Teil des Eisernen Vorhanges, was als eine der wichtigsten Vorstufen zum Fall der Berliner Mauer gilt.

Außenminister Genscher gab er vom Balkon des Palais aus bekannt:

"Liebe Landsleute, wir sind zu Ihnen gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass heute Ihre Ausreise (Tausendfacher Aufschrei und Jubel)… in die Bundesrepublik Deutschland möglich geworden ist."

Das Satzende ging unter mit dem auf das Stichwort "Ausreise" hin aufbrausenden Jubel der im Hof kampierenden ausreisewilligen DDR-Flüchtlinge.

Am 3. November fand die Ausreise über das Gebiet der DDR statt.
Beitrag zum Fall der Mauer.
Günter Schabowski leistete sich den Versprecher des Jahrhunderts.

"Privatreisen nach dem Ausland können ohne Vorliegen von Voraussetzungen (Reiseanlässe und Verwandtschaftsverhältnisse) beantragt werden. Die Genehmigungen werden kurzfristig erteilt. Die zuständigen Abteilungen Paß- und Meldewesen der Volkspolizeikreisämter in der DDR sind angewiesen, Visa zur ständigen Ausreise unverzüglich zu erteilen, ohne daß dafür noch die Voraussetzungen für eine ständige Ausreise vorliegen müssen. Ständige Ausreisen können über alle Grenzübergangsstellen der DDR zur BRD bzw. zu West-Berlin erfolgen."

Auf die Nachfrage des Hamburger Bild-Zeitungsreporters Peter Brinkmann: "Wann tritt das in Kraft?" antwortete Schabowski:

"Das tritt nach meiner Kenntnis… ist das sofort, unverzüglich."

Schabowski ist wegen der falschen Angabe des Inkrafttretens der Reiseregelung noch Jahre später vielfach kritisiert worden. Einige warfen ihm grob fahrlässige "Schusseligkeit", andere sogar bewussten Verrat an der Sache der DDR vor. Es ist aber zu berücksichtigen, dass in der Pressekonferenz neben Schabowski drei weitere Mitglieder des ZK saßen, die seine Ausführungen in anderen Details korrigierten bzw. kommentierten, nicht aber in Bezug auf das Gültigwerden der Reiseregelung. Selbst Krenz erklärte 1999: "Ich werfe ihm den Irrtum nicht vor. Niemand kann sagen, wie sich die Bevölkerung verhalten hätte, wenn die Grenzöffnung wie geplant am Morgen des 10. November erfolgt wäre. Allerdings, und das ist wesentlich, am Morgen des 10. November wären die vorbereiteten Befehle vor Ort gewesen. Die Schutz- und Sicherheitsorgane hätten gewusst, was zu tun ist." Auch Schabowski gab 2004 an, er sei davon ausgegangen, dass die DDR-Behörden die nunmehr kurzfristig und ohne Vorliegen von Voraussetzungen möglichen Ausreisen hätten kontrollieren können:

"Nach der Pressekonferenz bin ich zurück ins ZK gefahren, habe meine Tasche genommen und bin nach Hause nach Wandlitz gefahren. Ich habe keinen Moment daran gezweifelt, dass alles so verlaufen würde, wie beschlossen, also die Bürokratie funktioniert, die Grenzöffnung wird ab 10. November wirksam. Dass diese Bürokratie nicht funktionieren konnte, kam mir überhaupt nicht in den Sinn."

Die DDR-Grenzer waren völlig überrascht worden.
Schabowskis falsche Angabe zur sofortigen Wirksamkeit der Regelung
hat die Grenzöffnung dramatisch beschleunigt. Die Grenzer waren völlig überlastet.

Wenn man allerdings die politischen Änderungen der bisherigen Garantiemacht Sowjetunion, die seit April 1989 verfügte Aufhebung des Schießbefehls in der DDR, die beginnende Selbstauflösung der Machtstrukturen der SED und die zunehmend offenen Westgrenzen bei den übrigen Staaten des damaligen Ostblocks berücksichtigt, wäre dem DDR-Regime vermutlich ein Kanalisieren der Ausreise aus der DDR durch Formvorschriften auch dann nur noch befristet möglich gewesen, wenn die Übergangsregelung wie vorgesehen erst am Folgetag um vier Uhr morgens veröffentlicht worden wäre.

Schabowskis falsche Angabe zur sofortigen Wirksamkeit der Regelung hat zwar die Grenzöffnung dramatisch beschleunigt: Nahezu live den Medien der ganzen Welt verkündet, führte sie noch am selben Abend zur Maueröffnung, weil sie tausende Berliner veranlassten, an die Grenzübergangsstellen zu kommen und unter Bezugnahme auf Schabowskis Äußerungen massiv deren Öffnung zu verlangen. Am Ost-Berliner Grenzübergang Bornholmer Straße kamen dieser Forderung die dort ihren Dienst verrichtenden Offiziere der Passkontrolleinheit (PKE, Staatssicherheit, Hauptabteilung VI) und der Grenztruppen der DDR zuerst nach und lösten damit eine Kettenreaktion an allen Grenzübergängen in und um Berlin aus.

Berlin Bornholmerstrasse um Mitternacht 1989
Die DDR-Grenzer sind völlig ratlos. Was sollen sie tun?
Die einen sind auf der Mauer, die anderen beobachten von unten.
Nach 28 Jahren: Das Schandmal fällt endgültig.
Die Mauer, erbaut am 13. August 1961, fällt endgültig.
Auch an der Glienicker-Bruecke herrscht reges Hin-und Her.
Ebenso an der Bornholmer Straße.
Die DDR-Bürger strömen zu Tausenden nach Westen.
Deutschland ist nach 28 Jahren wieder vereinigt.
Deutschland einig Vaterland.

Nachdem sich der Zusammenbruch der DDR abzeichnete und die Berliner Mauer am 9. November 1989 gefallen war, legte Helmut Kohl ohne vorherige Absprache mit dem Koalitionspartner und den westlichen Bündnispartnern am 28. November 1989 im Deutschen Bundestag ein "Zehn-Punkte-Programm zur Überwindung der Teilung Deutschlands und Europas" vor. Am 18. Mai 1990 wurde der Staatsvertrag über die Währungs-, Wirtschafts-und Sozialunion mit der DDR unterzeichnet. Gegen den Widerstand des Bundesbankpräsidenten Karl Otto Pöhl hatte Kohl darin einen Umtauschkurs von Mark der DDR in D-Mark von 1:1 bei Löhnen, Gehältern, Mieten und Renten durchgesetzt. Dies erwies sich später als starke Belastung für die Betriebe der Neuen Bundesländer. Gemeinsam mit Außenminister Hans-Dietrich Genscher erreichte Kohl in den sogenannten Zwei-plus-Vier-Gesprächen mit den Siegermächten des Zweiten Weltkriegs deren Zustimmung zur Wiedervereinigung Deutschlands in Form des Zwei-plus-Vier-Vertrags und die Einbindung des wiedervereinigten Deutschlands in die NATO.

Helmut Kohl nutzt die einmalige Gelegenheit.
Er trifft sich im Kaukasus mit Gorbatschow.
Kohl, Gorbatschow und Genscher im Kaukasus.

Bei Verhandlungen und Gesprächen in Moskau und in Gorbatschows kaukasischer Heimat am 15. und 16. Juli, die in gelockerter Atmosphäre und in einem teils privaten Ambiente stattfanden, kam Gorbatschow der deutschen Verhandlungsdelegation unter Führung des Bundeskanzlers in allen noch ungeklärten Fragen weit entgegen: Der unmittelbare Verbleib des vereinten Deutschlands in der NATO wurde zugestanden, was für die Einwilligung der USA notwendig war, wobei der Geltungsbereich des westlichen Verteidigungsbündnisses für eine Übergangszeit bis zum vollständigen Abzug der sowjetischen Truppen 1994 sich nicht auf DDR-Gebiet erstrecken sollte. Übergangslos und zeitgleich mit der Vereinigung wurde nun auch das Ende der Viermächte-Verantwortung gewährt. Die Obergrenze der gesamtdeutschen Streitkräfte wurde Kohls Vorstellungen entsprechend auf 370.000 fixiert. Als "sensationell" ordnete Teltschik Gorbatschows Zugeständnis ein, dass Teile der Bundeswehr bereits im Zuge der Vereinigung auf DDR-Gebiet und in Berlin stationiert und mit dem Abzug der sowjetischen Streitkräfte in die NATO integriert werden konnten.

Kanzler des wiedervereinigten Deutschlands.
Außenminister Genscher, Hannelore Kohl, Bundeskanzler Helmut Kohl,
und Bundespräsident Richard von Weizsäcker.

Die Deutsche Einheit wirkte sich positiv auf die weitere Laufbahn Kohls als Bundeskanzler aus. Kohl war es 1989 auf dem Parteitag in Bremen nur mühsam gelungen, einen "Putschversuch" seiner innerparteilichen Widersacher um Heiner Geißler, Rita Süssmuth und Lothar Späth abzuwehren.

Am 17. Januar 1991 wählte der Deutsche Bundestag Kohl zum dritten Mal zum Deutschen Bundeskanzler, nachdem er sich bei der Bundestagswahl 1990 gegen den saarländischen Ministerpräsidenten und damaligen SPD-Kanzlerkandidaten Oskar Lafontaine durchgesetzt hatte. Damit wurde er zum ersten Kanzler des wiedervereinigten Deutschlands. Nach der knapp gewonnenen Bundestagswahl 1994 wurde Kohl erneut zum Bundeskanzler gewählt; diesmal setzte er sich gegen den rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Rudolf Scharping von der SPD durch. Die folgenden Jahre waren eher von außenpolitischen Erfolgen geprägt (Frankfurt am Main als Sitz für die neu geschaffene EZB, Euro-Einführung). Innenpolitisch zeichnete sich auch wegen des SPD-dominierten Bundesrats und der damit eingeschränkten Handlungsfähigkeit der Bundesregierung eine Stagnation ab, die in die Wahlniederlage 1998 mündete.

Ein Griff in die Mülltonne.
Der größte Irrtum der Nachkriesgeschichte.
Die Wahl des "Basta"-Kanzlers Gerhard Schröder.

Die Wahl gewann die SPD, die mit dem damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Gerhard Schröder als Kanzlerkandidat angetreten war. Die christlich-liberale Koalitionsregierung wurde infolgedessen von einer rot-grünen Koalition abgelöst und für die Deutschen begann mit Schröder und Fischer eine bis heute anhaltende leidvolle Zeit. Kohl wurde am 26. Oktober durch Bundespräsident Roman Herzog aus dem Amt entlassen. Kohl führte bis zum 27. Oktober 1998 nur noch eine geschäftsführende Bundesregierung.

Parteispendenaffäre und seine Zeit nach der Kanzlerschaft.

In der CDU-Spendenaffäre nach der verlorenen Bundestagswahl 1998 verschwieg Kohl die Herkunft eines Betrags in Höhe von eineinhalb bis zwei Millionen DM, obwohl er gemäß dem Parteiengesetz, welches er als Bundeskanzler selbst unterzeichnet hatte, und der darin verankerten Publikationspflicht zur Auskunft verpflichtet war. Bis heute nimmt Kohl keine Stellung zu diesem Thema. Seine Argumentation, er habe das Geld von Spendern erhalten, denen er mit "Ehrenwort" versprochen habe, ihren Namen zu verschweigen, steht im Gegensatz zur geltenden Rechtslage und stieß seinerzeit auf heftige öffentliche Kritik. Für die der CDU durch die anschließende Sperrung der Wahlkampfkostenerstattung entstandenen finanziellen Einbußen kam Kohl mit Geld aus einer privaten Spendenaktion auf.

Ein vom Bundestag eingesetzter Untersuchungsausschuss befasste sich von Dezember 1999 bis Juni 2002 mit der CDU-Spendenaffäre. Die Arbeit des Ausschusses wurde von heftigen parteipolitischen Auseinandersetzungen begleitet. Am 18. Januar 2000 musste Kohl wegen seiner Rolle in der CDU-Finanzaffäre auf den Ehrenvorsitz der CDU verzichten. Wegen des Verdachts der Untreue zum Nachteil seiner Partei eröffnete die Bonner Staatsanwaltschaft 2000 ein Ermittlungsverfahren gegen Kohl, das 2001 gegen Zahlung einer Geldbuße in Höhe von 300.000 DM wegen geringer Schuld gemäß § 153 a StPO eingestellt wurde.

Kohls Rache: Er schenkt uns "sein Mädchen".

Helmut, wo nur hattest du deine Gedanken? Was hast du dem Deutschen Volk mit dieser Frau nur angetan? Eine Frau, die zur Einheit keinen Deut beigetragen hat und die du heute selbst kritisierst. Und sage bitte nicht: "Errare humanum est!" Bei dieser Frau hättest Du Dich nicht irren dürfen, denn die Scheinheiligkeit in ihrem Gesicht war schon zu sehen...Leider nicht das Pattex an ihrem Hintern...

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