Es war noch früh am Morgen, so etwa 8 Uhr, als ich bei Lena an der Zimmertür klopfte und mich meldete. "Es ist offen", rief sie. Du kannst reinkommen - habe schon damit gerechnet, dass du kommen würdest. Allerdings nicht so überraschend schnell. Ich gehe schnell noch ins Bad. Aber bitte nicht umschauen, ich habe noch nichts eingeräumt, es ist einfach zuviel", seufzte sie. "Soviel an Bekleidung habe ich noch nie besessen". Nichtsahnend trat ich ein, da ich damit gerechnet hatte, dass sie bereits im Bad sei. Aber ich war etwas zu schnell eingetreten. Sofort entschuldigte ich mich und sagte, dass ich in 15 Minuten nochmal kommen werde, denn wir wollten doch heute gemeinsam die Stadt besichtigen. Sie lächelte ziemlich verlegen und meinte schnell ins Bad verschwindend, dass 15 Minuten für eine Frau gleichbedeutend mit 15 Sekunden seien. "Also etwas mehr Zeit solltest du mir schon geben!" "Ok, Ok, dann warte ich in meinem Zimmer, bis du fertig bist", meinte ich grinsend beim Verlassen ihres Zimmers. "Und bitte", rief ich noch durch den Türspalt, "ziehe etwas Leichtes an, es ist ziemlich warm draußen".

Lena kam nicht mehr in mein Zimmer, sondern klopfte an die Zimmertür: "Mister 'MGB' ich bin bereits auf dem Hotelflur. Kommen Sie?" "Ola la", entfuhr es mir anerkennend über ihr Outfit. "Gefällt Ihnen mein Kleid?", fragte sie. "Grummel, grummel", meinte ich, "waren wir nicht beim DU?" "Oh Verzeihung, Mister 'MGB', natürlich". (Nanu, diese Worte kannte ich doch aus vergangener Zeit). Und genau wie Jeanette, hatte auch Lena die Angwohnheit, mich immer mit Mister 'MGB' anzusprechen. "Was möchtest Du heute von Kiew sehen, 'MGB'?" Nun ja, mir war es egal, wohin sie mich führte. Mit dieser Frau an meiner Seite wäre ich sogar in die Hölle spaziert. "Schlendern wir kreuz und quer durch die Stadt. Es bleibt ohnehin nicht aus, dass man ständig erst über den Maidan gehen muss um irgendwohin zu kommen" erwiederte ich. Und genauso war es auch. Nur dass ich diesmal nicht alleine über den Platz spazieren musste.

Diesmal war ich nicht alleine, sondern hatte eine wunderschöne Begleiterin dabei.

Den Maidan ließ ich mir diesmal etwas genauer von Lena erklären und natürlich auch zeigen. Sie erzählte mir, während unseres Spaziergangs, dass die Stadt Kiew zu beiden Seiten des breiten Dnepr liegt, welcher nach Süden dem Schwarzen Meer entgegen fließt. Das rechte, westliche Flussufer mit dem historischen Stadtzentrum ist von zahlreichen, ursprünglich bewaldeten, kleinen Hügeln des Prydniprovska Hochlands geprägt. Die vielen Kastanienbäume sind typisch für die Kiewer Innenstadt. Die Hügel fallen hier steil zum Fluss ab. Weiter im Norden – im Stadtteil Podil – besteht aber ein flacher und breiter, bebauter Uferstreifen. Hier finden sich auch zahlreiche Seen. Der Dnepr verzweigt sich im Stadtgebiet in zahlreiche Wasserläufe. Mehrere größere Inseln, die kaum bebaut wurden, dienen als Naherholungsgebiete.

Am Brunnen auf dem Unabhängigkeitsplatz machten wir ein schönes Bild, wobei mir erst jetzt auffiel, dass Lena ständig die linke Hand an der Hüfte hatte. "Ist das eine Angewohnheit von dir?, fragte ich. "Welche Angewohnheit meinst du?" "Na die, dass du ständig die Hand an die Hüfte stemmst", lachte ich. "Och, das, das mache ich oft unbewusst. Aber mal eine Gegenfrage: Warum hast Du eigentlich immer die Hand in der Hosentasche", grinste sie zurück. "Das mache ich meistens, liebe Lena, denn da habe ich mein Geld und meine Visakarte drin. In die Gesäßtasche kann man hier ja keine Geldbörse stecken, denn ruckzuck ist sie in dem Gedränge hier weg". Das leuchtete ihr ein. Also behielt jeder seine Angewohnheit - zumindest für diesen Tag, bei.

Bild unten links: Die Sophienkathedrale in Kiew, gilt als eines der herausragendsten Bauwerke europäisch-christlicher Kultur. Sie wurde Anfang des 11. Jahrhunderts begonnen, im Laufe der Jahrhunderte mehrfach zerstört, umgebaut und erweitert. Sie gehört seit 1990 zum Weltkulturerbe der UNESCO und besitzt die höchste Auszeichnung: Der Kristallapfel.

Bild rechts: Die St.-Andreas-Kirche. Die St.-Andreas-Kirche befindet sich auf einer der ältesten Straßen der Stadt am Anfang der Andreasstiege im Zentrum Kiews, der Hauptstadt der Ukraine. Die Andreaskirche steht auf dem Gelände des alten Kiewer Detinez. Die Kirche besticht durch ihren Standort: Das Smaragdgrün der Fassade, das Gold der Kuppeln und die elegante Form treten plastisch auf dem Hintergrund der lichten Weiten jenseits des Dnjepr hervor. Wegen ihrer Leichtigkeit und Plastizität wird sie auch die "fliegende Kirche" genannt. Durch künstlerischen Ausdruck und Originalität zählt die Andreaskirche zu den Meisterwerken der ukrainischen Baukunst des 18. Jahrhunderts.

Glockenturm und Kuppeln der Sophienkathedrale und die St. Andreas-Kirche.

Man kann sich drehen und laufen wie man will, man landet immer wieder auf dem Centralplatz. Und von diesem hatte ich jetzt langsam genug. Es war Zeit mal etwas essen zu gehen und eine gute Tasse Kaffee zu trinken, das sagte ich auch Lena, welche mich daraufhin an die Mandarine-Piazza, dem Premier-Einkaufszentrum im Herzen von Kiew führte. "Dort befinden sich nicht nur Modegeschäfte und andere Boutiquen, sondern auch Geschäfte für feine Schmucksachen und Kostümstücke, oder auch Parfüme und Kosmetik, man findet dort auch eine breite Auswahl an Qualitätsinneneinrichtungsgegenständen..." "Also ähnlich wie in Deutschland im Baumarkt", unterbach ich sie. Sie lächelte etwas verständnislos. Das konnte ich verstehen, denn woher sollte sie auch den deutschen Obi kennen? "Das sagt mir leider nichts, 'MGB'. Jedenfalls ist ein Besuch zur ' Mandarine-Piazza ' eine Gelegenheit zu Probe kulinarischer Verschiedenartigkeiten des dortigen Restaurants".

Vom Centralplatz spazierten wir also hinüber an die Mandarine-Piazza und genossen dort tatsächlich ein herrliches Mittagsmahl, inclusive eines gutschmeckenden, aromareichen, duftenden Kaffee. (Bild unten).
Der Kaffe hatte gut geschmeckt, trotz es keine 'Krönung' war.

Satt und zufrieden machten wir uns auf den Weg zurück ins Hotel. Die Hitze wurde fast unerträglich um an jenem heißen Tag noch weiter durch Kiew zu flanieren. Wie gut, dass wir nur leichte Kleidung an hatten. Trotzdem schwitzen wir beide.

Auf dem Rückweg ins InterConinental.
Dritter Tag in Kiew