Die Inselhauptstadt Palma de Mallorca wird fast ausschließlich von den Fremden Palma genannt. Für die Einheimischen heißt die mallorquinische Hauptstadt seit der Eroberung Jaume I. schlicht La Ciutat - die Stadt. Erst vor rund hundert Jahren formte man den Namen Palma, hergeleitet von Palmeria, wie die Römer ihre aus einem Kriegslager hervorgegangene Stadt genannt hatten. Während der maurischen Herrschaft stieg Medina Mayurca zur glanzvollen Metropole auf, mit ihren prunkvollen Moscheen und Palästen war sie ein ebenbürtiges Pendant zu Cordoba, Toledo und Sevilla. Bis auf wenige Relikte, wie beispielsweis arabischen Bäder, sind die maurischen Bauwerke vollkommen aus dem Stadtbild verschwunden. Über diesen Verlust hilft aber der Umstand hinweg, dass Palma eine überaus prachtvolle Altstadt besitzt, die als einer der grössten geschlossenen historischen Stadtkerne Europas gilt.

Lange Zeit blieb Palma auf seinen mittelalterlichen Grundriss beschränkt, erst im 19. Jahrhundert wuchs die Stadt über ihre historische Grenzen hinaus. Innerhalb der letzten drei Jahrzehnte hat sich die Bevölkerung nochmals verdoppelt und ist auf 350.000 Einwohner angewachsen, so dass die Vororte bis weit ins Hinterland ausufern. Palma wandelte sich zur pulsierenden Großstadt, wenngleich die Altstadt glücklicherweise weitgehend von den städtebaulichen Maßnahmen verschont geblieben ist.

Zu den wenigen Schneisen, die durch die Altstadt geschlagen wurden, gehört der Passeig des Born, der seit Generationen der beliebteste Treffpunkt der Einheimischen und Touristen ist. Nach einer kurzen Promenade nimmt man Platz auf der Straßenterrasse der Bar Bosch, in der bereits Robert von Ranke-Graves einzukehren pflegte. Abseits der Fußgängerzonen haben sich die Strassen und Plätze ihren fast dörflichen Charakter bewahrt. Statt Boutiquen und Galerien warten hier noch kleine Einzelhandelsgeschäfte auf ihre Stammkunden, die hier bei Bedarf Nägel oder Wäscheklammern auch einzeln kaufen können.

Entlang der engen, gewundenen Altstadtgassen lassen sich aber auch zahlreiche Adelspaläste und vornehme Bürgerhäuser mit repräsentativen Innenhöfen, den Patios, entdecken. Von der Straße aus wirken sie eher abweisend, schmucklos und ein wenig unscheinbar, doch sobald man durch eine der schweren, eisenbeschlagenen Türen in den Innenhof eintritt, taucht der Besucher in eine heitere Welt von Säulen und Emporen, Arkaden und Balustraden. Die Patios besitzen auch einen praktischen Nutzen: Im Sommer sind sie angenehm kühl, im Winter speichern sie wohltuend die Sonnenwärme.

Das markanteste Bauwerk Mallorcas ist La Seu, die Kathedrale des Lichts. Wie ein riesiger Ozeandampfer liegt sie im Häusermeer der Altstadt. Besonders von der Seeseite bietet die Kathedrale einen grandiosen Anblick: In der Abendsonne schillert die Sandsteinfassade wie mit mattem Gold überzogen. Mit einer Länge von 121 Metern und einer Höhe von 44 Metern beeindruckt La Seu allein durch ihre Dimensionen.

Grazile Fenster und Rosetten bündeln die Sonnenstrahlen und hüllen den Innenraum in ein stimmungsvolles Licht. Zu Füßen der Kathedrale erhebt sich der Königspalast Almudaina mit seinen strengen, zinnengekrönten Mauern. Einst konnten die Schiffe direkt an der Treppe des Palastes anlegen, heute wird die königliche Residenz durch den Parc de la Mar und eine sechsspurige Uferstraße vom Meer getrennt. Die Uferpromenade selbst ist eine beliebte Flaniermeile und Trainingsstrecke für Jogger und Inline-Skater. Ebenfalls direkt ans Meer grenzte 1910 einst die Llotja, die alte Seehandelsbörse. Mit ihren grazilen Portalen und Fenstern gilt sie als ein Meisterwerk der Spätgotik und profanes Gegenstück zur Kathedrale.

Absichtlich verzichte ich hier auf eigene Erlebnisse - möchte nur über die Insel berichten, da mir dies wichtiger erscheint.

Der Architektur einer Kirche nicht unähnlich soll sie auch Kaiser Karl V. versehentlich für eine Kirche gehalten haben; anstatt sich um den Seelenfrieden zu kümmern, huldigten die Kaufleute in der Llotja dem schnöden Mammon. Doch an respektablen Gotteshäusern herrscht in Palma kein Mangel, herausragend ist das Kloster Sant Francesc mit seinem wohlproportionierten spätgotischen Kreuzgang. Selbst ein nüchterner Existentialist wie Albert Camus zeigte sich beeindruckt: "Der kostbare, feingliedrige Säulengang hat jenes wunderbare Gelb alter spanischer Bauwerke. Im Innenhof rosafarbener Lorbeer und Pfeffersträucher und ein schmiedeeiserner Ziehbrunnen, an dem ein Schöpflöffel aus oxydiertem Kupfer liegt". Wer heute durch Mallorca streift, kann sich der Allgegenwart Joan Miròs nur schwerlich entziehen. Seine einfache, heitere Formensprache hat nicht nur in Museen und öffentlichen Parkanlagen Eingang gefunden, Mirò-Motive prangen auch auf T-Shirts, Kaffeetassen und Wandfliesen. Zusammen mit Pablo Picasso und Salvador Dali zählt Joan Mirò zum großen Dreigestirn der modernen spanischen Kunst. Im Gegensatz zu Picasso und Dali blieb ihm aber im Paris der dreißiger Jahre die internationale Anerkennung verwehrt, so dass er nach dem Ende des Spanischen Bürgerkriegs in seine katalanische Heimat zurückkehrte.

Schließlich tauchte Mirò in Mallorca unter, wo er bereits während seiner Jugend mit dem Skizzenblock über die Insel gestreift war. Auch jetzt erwies sich die mallorquinische Landschaft als Inspirationsquelle für sein künstlerisches Schaffen. Er beschloss, sich trotz der von ihm verachteten Diktatur Francos vor den Toren Palmas in Ca!a Major niederzulassen. Erst 1969 wurden in Palma Werke Miròs öffentlich in einer Galerie präsentiert. Sein bester Freund, der Architekt Joseph Lluìs Sert, erbaute ihm unweit seines Wohnhauses das Atelier Son Abrines. Nach Miròs Tod hat man das Atelier in seinem Zustand belassen, unvollendete Gemälde lehnen an den Wänden, farbige Pinsel stecken in alten Kaffeetassen, dazwischen Melkschemel und Schaukelstühle. Direkt neben seinem Atelier wurde 1992 die Fundaciò Pilar i Joan Mirò errichtet, die nicht nur zahllose Gemälde, Zeichnungen und Briefe Miròs besitzt, sondern zudem Künstlern und Kunsthandwerkern Werkstätten zur Verfügung stellt. Ganz im Sinne von Mirò, der einen "lebendigen Ort, der von der musealen Tradition abweicht", hinterlassen wollte.

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Willkommen in Mallorca dritter Teil