Im Höhenprofil erinnert Mallorca an eine halb aufgewickelte Schriftrolle. Den größten Teil der Insel nimmt Es Pla, die fruchtbare Zentra!ebene, ein. Ihr gemäßigtes Klima verdankt die Ebene der hoch aufragenden Serra de Tramuntana, die Mallorca vom Südwesten bis zum Nordosten durchzieht und die kühlen Winde aus dem Norden abhält. Erst im Südosten steigt die Ebene noch einmal zur Serra de Llevant hin an, gerade so, als welle sich ein altes Pergament. Das Inselinnere mit seinen Obstgärten, Mandelbäumen und Getreidefeldern ist vergleichsweise dünn besiedelt von Bauernhöfen, Dörfern und Marktflecken, größere Städte gibt es keine, abgesehen von den Provinzmetropolen Inca und Manacor. Unter touristischen Gesichtspunkten ist das Inselinnere eine Art terra incognita. Bekanntermaßen verlässt nur etwa jeder zehnte Tourist sein Urlaubsdomizil, um Mallorcas Sehenswürdigkeiten, allen voran Palma und die Kartause von Valldemossa, zu besichtigen; die allerwenigsten von ihnen erkunden die mallorquinische Zentralebene - ein Fehler.

Jahrhundertelang ernährte sich die Insel fast ausschließlich von den fruchtbaren Böden dieses flachen, nur sanft gewellten Tieflandes. Erinnerungen an die landwirtschaftliche Tradition der Insel wecken noch die Markttage, beispielsweise mittwochs in Sineu. Dank der günstigen klimatischen Bedingungen sind jedes Jahr drei bis vier Ernten möglich, doch mangelt es aufgrund der geringen Niederschläge an Feuchtigkeit. Bis heute erfolgt die Bewässerung daher fast ausschließlich durch Grundwasser, das traditionell mit Windmühlen gefördert wird. Ein einziges Windrad kann pro Stunde bis zu 28.800 Liter Wasser empor pumpen. Ursprünglich waren die Flügel mit Segeln bespannt, die im Laufe der Zeit durch Lamellen ersetzt wurden. Heute stehen noch annähernd tausend der Windräder auf den mallorquinischen Feldern, besonders im Osten und Süden rund um Llucmajor und den Flughafen prägen sie das Land­chaftsbild. Die meisten Windräder stehen mitterweile still, als sichtbarer Exponent des allorquinischen Nationalgefühls wird ihreRestaurierung aber seit ein paar Jahren von staatlicher Seite finanziell unterstützt, so dass ihr Fortbestand auch in Zukunft gesichert ist.

Wie Inseln aus dem Meer ragen freistehende Hügel und Tafelberge aus der mallorquinischen Zentralebene empor. Ein phantastischer Panoramablick bietet sich vom 542 Meter hohen Puig de Randa, der auch als Wirkungsstätte von Ramòn Llull (1232-1316), einem der bedeutendsten Theologen des Mittelalters bekannt ist. Kurz nach Ende der arabischen Herrschaft auf Mallorca als Sohn eines königlichen Kampfgefährten geboren, hatte sich Llull in jungen Jahren vor allem als Casanova und Troubadour einen Namen gemacht, bevor er durch eine göttliche Vision geläutert beschloss, den irdischen Verlockungen den Rücken zuzuwenden und sich fortan auf dem Klosterberg Randa ganz dem wahren Glauben zu widmen.

Doch blieb Ramòn Llull,latinisiert Raimundus Lullus, ein unruhiger Geist. Angetrieben von einem schier grenzen losen Tatendrang stellte er die Wissensgrundlagen seiner Zeit in Frage und strebte nach einer umfassenden Erneuerung des abendländischen Denkens. Egal ob Logik, Medizin, Philosophie oder Theologie - nichts ließ er in seinen zahlreichen Schriften unberührt. Besonders das mallorquinische Nebeneinander der Religionen spornte seinen Missionseifer an, Llull studierte Philosophie und lernte arabisch, um seine muslimischen und jüdischen Mitmenschen in Diskussionen von der einzig wahren Botschaft des Christentums überzeugen zu können. Ramòn Llull, der in Palma in der Klosterkirche Sant Francesc seine letzte Ruhestätte gefunden hat, gebührt noch ein besonderes Verdienst:

Llull verfasste seine Schriften nicht auf Lateinisch, wie es damals in Gelehrtenkreisen üblich war, sondern er bediente sich der regionalen Volkssprache und verhalf so dem Katalanischen - ähnlich wie Dante dem Italienischen - zu den ersten höheren literarischen Weihen.

Anmerkung:

Um Mallorca eingehend und bis ins letzte Detail beschreiben zu können, bedürfte es mehrerer Seiten. Diese Schilderung hier ist nur ein Bruchteil dessen, was man über die Insel Interessantes erfahren kann.

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Mit dem Schiff nach Malta