Ritter Manfred erzählt:
Letzter Teil der Rolandsage.
"Dein Ruf tönt weit, mein lieber Heergeselle", sprach Olivier.

Roland ordnet die Streiter: Er entsendet den Grafen Walter auf eine waldige Anhöhe, wo sie umgangen werden konnten, dann wenden er, sein Bruder Balduin, der kühne Olivier, der mutige Erzbischof Turpin und die anderen Helden ihre Hengste und stürmen den Kriegern voran in die feindlichen Schlachthaufen. Roland dringt unwiderstehlich vor. Sein Schwert Durindart zerhaut Helme, Schilde und Schädel der Männer. Da erblickt er inmitten der feindlichen Scharen den falschen Marsilio, der die Heerfahne trägt. Gegen ihn spornt er sein Roß, und vergebens werfen sich ihm die tapfersten Kämpfer der Mohren entgegen: sie fallen unter seinen Streichen. Schon ist er bei dem Verräter, sein Schwert saust, und die Fahne sinkt mit der rechten Hand des Königs zu Boden. Wildes Geheul erfüllt die Luft. Neue Haufen umdrängen den kühnen Streiter, während der verwundete König entflieht. Rolands Pferd fällt, von einem Speer durchbohrt; allein der unverzagte Degen ist schnell wieder auf und kämpft zu Fuß und streckt Rosse und Reiter nieder. Da wenden sich die Mohren zur Flucht vor dem entsetzlichen Würger. Jetzt blickt er sich um, aber er steht allein; ringsum sind nur Tote und Sterbende, und nur Geröchel schallt an sein Ohr, sonst Totenstille nach dem gräßlichen Kampfgetöse. Es ist kein Zweifel, auch die Christenleute liegen erschlagen auf der Walstatt. Jetzt ist die Zeit gekommen, mit dem Hornruf die etwa noch lebenden, aber zerstreuten Krieger zur Sammlung zu laden, und Roland stößt dreimal mit solcher Macht in das Horn, daß ihm schier die Adern zerspringen. Olifants Stimme schallt wie Donnerrollen durch Berg und Tal und ruft die zerstreuten Franken zu dem weidlichen Degen. Es sind nur einige streitbare Männer, und nun kommen auch die noch lebenden Helden Olivier, Balduin, der kriegerische Erzbischof Turpin und andere, die auf flüchtigen Rossen die geschlagenen Feinde verfolgt haben. "Dein Ruf tönt weit, mein lieber Heergeselle", sprach Olivier. "Der Kaiser wird ihn sicher vernehmen und uns Hilfe bringen. Wir aber sind deren bedürftig, denn sieh, wie die wilden Mohren sich sammeln und in dichten Geschwadern wider uns anrücken!"

Die Sarazenen sammeln sich.

"Auf, Getreue des Herrn", rief Roland. "Schließt die Reihen!" Der Held hatte ein lediges Araberroß aufgefangen und rannte mit den anderen Führern vorwärts in die gedrängten Rotten der Mohren. Die feindliche Übermacht war groß; wie auch die kühnen Kämpfer Männer und Rosse fällten, so wurden sie doch getrennt und stritten einzeln da und dort im Drange des Gefechts. Roland kämpfte mit unverzagtem Mute, aber die feindlichen Geschosse flogen wie Hagelkörner so dicht auf Helm und Schild. Einer traf sein Roß tödlich, ein anderer durch Schild und Brünne in die Hüfte. Da kam Olivier, betäubt durch einen Keulenschlag auf den Helm. Er traf statt des Feind seinen Heergesellen. Den Irrtum gewahrend, blieb er an seiner Seite; allein er sank bald, von Geschossen durchbohrt, tot nieder. Die furchtbaren Schläge Rolands verbreiteten indessen solchen Schrecken unter den Mohren, daß sie sich abermals zur Flucht wandten. Der todmüde Held konnte sie nicht mehr verfolgen. Sein wundes Roß brach unter ihm zusammen; er selbst blutete aus vielen Wunden.

Kampf und Tod im Tal von Ronceval

Er wankte in eine Seitenschlucht, wo er an einem Marmorfelsen niedersank. Er fühlte, daß sein Ende nahe sei. Der Held ergriff sein Schwert Durindart, willens es zu zerbrechen, damit es den Mohren nicht in die Hände falle. Er hieb damit auf Marmor, aber der Fels wurde bis auf den Grund gespalten, die Klinge blieb jedoch unversehrt. Nun stieß er zum drittenmal in sein Horn, und da wankte der ehrwürdige Erzbischof Turpin herzu, dann erschien Balduin, Rolands Halbbruder, desgleichen sein treuer Knappe und der kühne Walter, der auf der Höhe Wache gehalten hatte, bis ihn eine Horde Barbaren überfiel, seine Mannen erschlug und ihn selbst schwer verwundete. Der Erzbischof, obgleich von Blutverlust erschöpft, reckte die Hand über den Sterbenden aus und segnete ihn, aber kaum hatte er die Worte gesprochen, da sank er auf das weiche Moos nieder und verschied. Der müde Held lechzte nach etwas Wasser. Balduin irrte weit umher in der Steinwüste, ohne einen Born zu finden. Da hörte er Hörnerklang und Rosshufschlag, sah Paniere mit dem Kreuzeszeichen, glänzende Helme und Schilde; es war Kaiser Karl mit seiner Macht, der nicht mehr retten, der nur noch rächen konnte.

Roland war eingegangen in die Wohnung ewigen Friedens.

Roland war eingegangen in die Wohnung ewigen Friedens. Der treue Knappe bettete das Haupt des Helden auf einen Schild. Er berichtete dem Kaiser von dem Überfall des falschen Marsilio, von den Gefechten, von dem Verdacht, daß Ganelon durch schändlichen Verrat den Untergang der Helden verschuldet habe. "Du redest wahr", sprach der Kaiser. "Der Verräter hat auch mich betrogen, als ich auf den ersten Romruf hin aufbrechen wollte. Er beredete mich mit heuchlerischem Wort, mein teurer Neffe sei auf fröhlicher Jagd begriffen." Der große Karl hieß darauf Ganelon in Haft zu nehmen bis auf den Tag des Gerichts. Ferner befahl er, daß die Leichen der Franken zu Grabe gebracht, die toten Hüllen der Helden Turpin, Roland, Olivier und des gleichfalls schon hingeschiedenen Walter einbalsamiert werden sollten. Er wollte sie bei der Heimkehr mit sich führen, daß sie auf heimischer Erde eine würdige Ruhestätte fänden.

Kaiser Karls Rückkehr.

Nun ging der Heereszug vorwärts durch das verhängnisvolle Tal Ronceval zur Rache und zur Strafe. Das schien leicht, da Marsilios Macht bereits zertrümmert war. Indessen hatte derselbe mittlerweile mächtigen Beistand erhalten. Sein und aller Machmetsdiener Oberhaupt, der Kalif Baligant von Babylon, war nämlich mit unzählbaren Horden nach Spanien gekommen, um den siegreichen Waffen des Kaisers im Abendlande Schranken zu setzen. Die Heere trafen aufeinander: allein nach einem zweitägigen Kampf unterlagen die Heiden, und Baligant selbst fiel durch das Schwert des Kaisers. Mit den Flüchtlingen drangen die Sieger in Saragossa ein, wo der einarmige Marsilio auf der Flucht seinen Tod fand. Nunmehr war nirgends mehr Widerstand: alle Reiche in Spanien huldigten dem mächtigen Herrscher.

Durch die Engpässe der Pyrenäen zog das stattliche Heer unangefochten und erreichte wohlbehalten den fränkischen Boden. An den rebenbekränzten Ufern der Dordogne wurde ein längerer Halt gemacht, denn der Kaiser brachte, ehe er weiterrückte, die Leiber der gefallenen Helden in die Gruft zu Blaive, wo nachmals viele Wunderdinge geschahen. Nachdem die heilige Pflicht erfüllt war, ging es weiter nach Paris. Mit Lorbeerzweigen bekränzt hielten Ritter und Mannen ihren Einzug in der Seinestadt und schmausten und zechten weidlich auf Kosten des freigebigen Kaisers.

Durch die Engpässe der Pyrenäen zog das stattliche Heer unangefochten
und erreichte wohlbehalten den fränkischen Boden.

Nach der Siegesfeier begab sich der Monarch in seine liebe Stadt Aachen, um Gericht über den Verräter Ganelon zu halten. Zwölf Männer gleichen Ranges mit dem ungetreuen Mann, der die Schuld leugnete, sprachen das Urteil, daß Gott selbst in einem Zweikampfe entscheiden solle. Ganelon, durch die Kerkerhaft geschwächt, erwählte den berühmten Kämpfer Pinabel; diesem gegenüber stellte sich Thiedrich, Rolands treuer Knappe. Aber im Spiel der Schwerter brach Gott den Stab über den Misstetäter und Pinabel unterlag. Darauf urteilten die Richter, der ungetreue Mann, der die edelsten Helden in den Tod gestürzt habe, solle von Pferden zerrissen werden, und der Spruch ward vollstreckt.

Gen Aachen kam nach diesen Vorgängen die schöne Auda. Sie war auf Kunde von der Heimkehr des Heeres von Viane aufgebrochen und hoffte frohen Mutes, den Bräutigam, den ruhmvollsten Helden der Christenheit, zu begrüßen. Sie fand ihn nicht zu Paris, sie suchte ihn unter den Helden zu Aachen. Niemand wollte ihr die traurige Botschaft verkündigen. Da trat sie vor den Kaiser mit der Frage, wo Roland geblieben sei. Karl, der selbst das Leid um den Neffen nicht verwinden konnte, versuchte mit dem Purpur die Tränen zu verbergen, wobei er sprach: "Roland ist dorthin gegangen, wohin ihn unser aller Herr berufen hat".

Roland aufgebahrt.

"Tot!", rief die Jungfrau, und sank leblos zu Boden, und ihre sterbliche Hülle wurde zu der des Geliebten in die Gruft gesenkt.

Geschichtlicher Hintergrund zum Rolandslied.

Im Jahre 778 rief man Kaiser Karl zu Hilfe gegen den Emir von Corduba und Karl, der glaubte, eben erst das Sachsenland erfolgreich unterworfen zu haben, wurde wohl gelockt durch die Möglichkeit, sein Reich nach Südwesten erweitern zu können. Im heissen Sommer 778 fiel Karl mit starken Verbänden in Spanien ein, zuerst erfolgreich. Er unterwarf das Land bis zum Ebro, wobei er beispielsweise Pamplona eroberte. Die Franken bildeten aber keine Armee, die schwere Belagerungen durchführen konnten, da ihnen dafür das Gerät und die Geduld fehlte. So scheiterten sie vor Saragossa, woraufhin sich Karl eilig wieder zurückzog, den Fehler, den er mit der Unternehmung begangen hatte jetzt wohl einsehend. Er beging jedoch einen weiteren Fehler, indem er das christlich bewohnte Pamplona schleifen liess. Dies nahmen ihm die Waskonen übel und so lauerten sie seiner Nachhut in den Pyrenäen auf. Im Tal von Roncevalle vernichteten sie die fränkische Nachhut, geführt von Karls Paladin Roland dessen heldenhafter Widerstand im berühmten Rolandslied festgehalten wurde. Karl steckte die empfindliche Niederlage ein und kehrte gerupft in sein Frankenreich zurück.

Ende.