Abflug in Frankfurt am Main. Nach 2 1/2 Stunden war ich in St. Petersburg.
Über Sankt Petersburg

Am 27. Mai 1703 (nach dem damals in Russland geltenden Julianischen Kalender am 16. Mai) beginnt Peter der Große mit dem Aufbau von Erdbastionen auf einer kleinen Insel mitten im Delta der Newa. Seine Gründung nennt er zu Ehren der Heiligen, denen dieser Tag gewidmet war, Peter-Pauls-Festung. Schon bald entsteht auf den Ufern gegenüber der Festung auf beiden Seiten der Newa eine Siedlung, die rasch zu einer Stadt anwächst, anfangs nach holländischer Art Sankt Pieterburch genannt. Bald setzte sich aber die deutsche Form St. Petersburg durch. Sankt Petersburg in Russland, gegründet 1703 als Sankt-Pieterburch, kurz darauf in Sankt Petersburg umbenannt, von 1914 bis 1924 als Petrograd, und von 1924 bis 1991 als Leningrad bezeichnet, ist mit über vier Millionen Einwohnern nach Moskau die zweitgrößte Stadt Russlands und eine der größten Städte Europas. Die Stadt liegt im Nordwesten des Landes, an der Mündung der Newa am Ostende des Finnischen Meerbusens. Sankt Petersburg ist die nördlichste Millionenstadt der Welt. Die Stadt war vom 18. bis ins 20. Jahrhundert die Hauptstadt des Russischen Reiches, ist ein europaweit wichtiges Kulturzentrum und beherbergt den wichtigsten russischen Ostsee-Hafen. Die Innenstadt ist Weltkulturerbe der UNESCO.

Am 8. Februar 1725 starb der zweiundfünfzigjährige Zar an den Folgen seiner Rettungstat (Blasenleiden in Verbindung mit einer Leberatrophie) in Sankt Petersburg. Er wurde in der Peter und Paul Kathedrale (hintere Reihe rechts) beigesetzt. Anders als oft angenommen wird, hat Peter der Große die Stadt nicht nach sich selbst benannt, sondern nach seinem Schutzheiligen, dem Apostel Simon Petrus. Nachdem die Festung kurzzeitig den niederländischen Namen Sankt-Pieterburch trug, wurde sie schon früh in das deutsche Sankt-Petersburg umbenannt. Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurde am 18. August 1914 der deutsche Name zu Petrograd – wörtlich "Peterstadt" – russifiziert. Nach Lenins Tod 1924 wurde die Stadt am 26. Januar 1924 in Leningrad umbenannt. Dies geschah auf Antrag der damaligen Petrograder Parteiführung und nach deren Angaben auf Wunsch der Arbeiter, die Lenins Tod betrauerten.

Der erneute Namenswechsel der Stadt wurde vom Zentralkomitee damit begründet, dass in ihr die von Lenin geführte Oktoberrevolution stattgefunden hatte. Der erneute Namenswechsel der Stadt wurde vom Zentralkomitee damit begründet, dass in ihr die von Lenin geführte Oktoberrevolution stattgefunden hatte. Auf der Ebene der Symbolpolitik gab es aber tiefere Gründe: Sankt Petersburg stand für das zaristische Russland und war die Vorzeigestadt des Zarenreichs gewesen. Schon damals war Sankt Petersburg die zweitgrößte Stadt des Landes und das bedeutete großes Prestige für den neuen Namensgeber. Die Umbenennung in Leningrad symbolisierte den Wechsel des sozialen wie politischen Systems an einer hervorgehobenen Stelle. Als solcher wurde er auch wahrgenommen. Im Volksmund wurde aber auch nach der Umbenennung oft die Abkürzung Piter als Kosename verwendet.

Die Metro Kirovsky Zvod Station. Eine von vielen Metrostationen in St. Petersburg. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion führte eine Volksabstimmung 1991 zu einer knappen Mehrheit zugunsten der Rückbenennung in Sankt Petersburg. Der Erlass vom 6. September 1991 vollzog diesen Wählerwillen. Gleichzeitig wurden auch viele Straßen, Brücken, Metro-Stationen und Parks wieder rückbenannt. Im Zusammenhang mit historischen Ereignissen wird nach wie vor der zum Ereignis "passende" Name genutzt, z. B. "Heldenstadt Leningrad" beim Gedenken an den Zweiten Weltkrieg. Das umliegende Verwaltungsgebiet (föderative Einheit) Oblast Leningrad (russ. Leningradskaja Oblast) behielt nach einer Volksabstimmung den alten Namen.

Peters Sommerresidenz Peterhof: Große Kaskade, im Hintergrund der Finnische Meerbusen.

Die Stadtgründung von Sankt Petersburg ist Gegenstand eines um Peter den Großen gewobenen Mythos. Danach soll der weitsichtige Zar bereits bei deren erstem Anblick eine unbewohnte und öde Sumpflandschaft an der Newa-Mündung zum Standort seiner zukünftigen Hauptstadt, eines "Fensters zum Westen" für Russland, auserkoren haben. Die wortmächtigste und am häufigsten zitierte Ausformulierung dieses Mythos von der eine "Hauptstadt aus dem Nichts" erschaffenden Willenskraft Peters des Grossen findet sich in dem Gedicht "Der eherne Reiter" (1834) von Alexander Puschkin. Tatsächlich ignoriert diese populäre Erzählung von den Ursprüngen Sankt Petersburgs jedoch, dass der Bereich der unteren Newa schon lange zuvor Teil einer Kulturlandschaft war, des Ingermanlandes. Dort lebten seit dem 10. Jahrhundert Vertreter verschiedener finno-ugrischer Völker größtenteils von der Landwirtschaft. Zu Beginn des 14. Jahrhunderts stritten Schweden und Nowgorod unentschieden um eine Kontrolle über das Gebiet. Eine schwedische Siedlung an diesem Ort wurde angeblich im Jahr 1301 zerstört. Danach einigte man sich darauf, die Region als Pufferzone zwischen den Einflusssphären zu betrachten, in der keine Festungen errichtet werden durften.

In den folgenden Jahrhunderten wurde das Gebiet zumindest als Landungsstelle für die Newa befahrende Schiffe, möglicherweise aber auch als Handelsplatz genutzt. Letzteres gilt sicher für die Zeit einer erneuten schwedischen Dominanz in der Region nach der Errichtung der Festung Nyenschanz im Jahr 1611 und der sie bald umgebenden Siedlung Nyen. Beide lagen auf dem Stadtgebiet des heutigen Sankt Petersburg am nördlichen (oder rechten) Ufer der Newa. Es gibt auch Hinweise auf größere städtebauliche Ambitionen der Schweden für Nyen im 17. Jahrhundert. Allerdings erlebten diese einen herben Rückschlag, als Siedlung und Festung 1656 während des Ersten Nordischen Krieges von russischen Truppen zerstört wurden.

Bei der Einnahme von Marienburg (Livland) nahm er Martha Skawronskaja, die Magd des evangelischen Pfarrers Ernst Glück, gefangen. Diese wurde später als Katharina I. Zarin von Russland. Dem baldigen Wiederaufbau folgte am 1. Mai 1703, während des Großen Nordischen Krieges, die endgültige Eroberung von Nyenschanz durch die newaabwärts vorrückenden Russen unter Scheremetew. Nyen war zu diesem Zeitpunkt bereits von den Schweden selbst präventiv geräumt und teilweise zerstört worden.

Katharina I. wurde als Martha Elena Skawronska geboren. Mit 17 Jahren arbeitete sie als Magd bei dem evangelischen Theologen und Bibelübersetzer Ernst Glück in Marienburg (Livland) und wurde dort mit einem adligen schwedischen Dragoner namens Johan Cruse verheiratet, der aber im Lufe des Großen Nordischen Krieges starb. Sie selbst wurde gefangengenommen. 1703 begegnete ihr Peter Martha und machte sie kurz darauf zu seiner Geliebten. Das Ende von Nyen und Nyenschanz markierte gleichzeitig den Beginn der Stadtgeschichte von Sankt Petersburg. Offiziell verbindet man diesen mit dem Datum 16. Mai 1703. An diesem Tag wurde auf einer Nyenschanz gegenüber gelegenen Insel im Newa-Delta der Grundstein für die nach dem Namenspatron des Zaren benannte Peter-und-Paul-Festung gelegt. In alten Urkunden und Karten findet sich neben der deutschen Bezeichnung Sankt Petersburg auch die holländische Sankt Piter Bourgh oder St. Petersburch.

Entgegen dem zuvor zitierten Mythos gibt es keine Quellen, die glaubhaft belegen würden, dass Peter der Große das Bollwerk von Beginn an als Keimzelle einer größeren Siedlung oder gar seiner zukünftigen Hauptstadt ansah. In erster Linie sollte die Peter-und-Paul-Festung zunächst wohl die Funktion von Nyenschanz übernehmen, also die Newa-Mündung strategisch absichern, nur jetzt für die Russen. Die äußeren Bedingungen für eine Stadtgründung waren, soweit stimmt die Überlieferung, auch denkbar ungeeignet. Das Delta wurde häufig von Überschwemmungen heimgesucht, ein Großteil der Gegend war nicht einmal für die Landwirtschaft geeignet. Nur einige Fischer hielten sich hier in den Sommermonaten auf. Auch später sollte es aufgrund der ungünstigen Lage immer wieder zu Überschwemmungen kommen, bei denen zahlreiche Bewohner ihr Leben ließen.

Dass Peter der Große trotz der widrigen Gegebenheiten diesen Ort schließlich für seine neue Hauptstadt auswählte, ist auf die Tatsache zurückzuführen, dass hier vorzüglich ein Seehafen angelegt werden konnte und zudem der Anschluss an das binnenrussische Flusssystem gegeben war. Dies kommt auch dadurch zum Ausdruck, dass das Stadtwappen neben dem Zepter einen See- und einen Binnenanker zeigt. Des weiteren war die Nähe zu Westeuropa ausschlaggebend, ging es Peter dem Großen doch darum, Russland zu modernisieren. Erst ab dem Jahr 1706 ist, durch die Zwangsrekrutierung zahlreicher Leibeigener für die Bauarbeiten an der Newa-Mündung, ein wirklicher Plan für die Errichtung einer neuen Stadt erkennbar. Sobald dieses Ziel vor Augen stand, wurde es mit großem Nachdruck und mit Rücksichtslosigkeit von Zar Peter in wenigen Jahren umgesetzt. Während die Stadt in ihren Grundmauern erstand, verbot er die Errichtung von Steingebäuden in ganz Russland außerhalb Sankt Petersburgs – jeder verfügbare Steinmetz sollte an der Erbauung der neuen russischen Hauptstadt arbeiten. Die Flucht von Arbeitern aus der Stadt und vom oft tödlichen Bauprojekt wurde mit harten Strafen geahndet.

Russland befand sich noch bis 1721 im Krieg gegen Schweden

1706 wurden 30.000 Leibeigene im Zarentum Russland zwangsrekrutiert, 1707 waren es 40.000. Ungefähr die Hälfte von ihnen schaffte es, auf dem Weg nach Nordwesten zu fliehen. Schon während der Errichtung der Stadt kamen vermutlich Zehntausende von Zwangsarbeitern und Leibeigenen ums Leben. Sie starben an Sumpffieber, Skorbut, an der Ruhr oder einfach an Hunger und Entkräftung. Große Teile der Stadt sind auf Pfählen im Boden errichtet, aufgrund der großen Zahl von Toten beim Bau sprechen viele Leute davon, dass sie eigentlich auf Skeletten ruht. Zudem befand Russland sich noch bis 1721 im Krieg gegen Schweden, mehrere Gefechte fanden in der Nähe der gerade gegründeten Zarenresidenz statt. Erst nachdem die Schweden 1709 in der Schlacht bei Poltawa geschlagen wurden, konnte die Stadt weitgehend als gesichert angesehen werden.

1714 standen in Sankt Petersburg etwa 50.000 bewohnte Häuser, die Stadt war die erste in Russland, die eine offizielle Polizei sowie eine effektiv funktionierende Feuerwehr hatte. Da der russische Adel nicht bereit war, in die Stadt zu ziehen, beorderte Peter ihn nach Sankt Petersburg. Die Familien mussten mit ihrem gesamten Haushalt in die Stadt ziehen, in Häuser, deren Stil und Größe genau festgeschrieben waren – selbstverständlich auf eigene Kosten. Die Innenstadt wurde abends und nachts künstlich beleuchtet, die Bewohner dazu angehalten, Bäume zu pflanzen.

   Sankt Petersburg wird Hauptstadt  

Das Bauprogramm des Zaren konnte nur mit drastischen Maßnahmen durchgeführt werden. Baumaterialien waren an der Newamündung ein seltenes Gut. So wurde 1710 ein Erlass herausgegeben, nach dem jeder Einwohner der Stadt jährlich 100 Steine abliefern oder aber eine hohe Geldstrafe zahlen musste. Auch jedes Frachtschiff, das die Stadt anlief, musste einen bestimmten Prozentsatz der Ladung Steine anliefern. Ein Erlass von 1714 besagte, dass Steinbauten nur noch in Sankt Petersburg gebaut werden durften (dieser Erlass wurde erst 1741 wieder aufgehoben). Die drakonischen Erlasse des Zaren zeigten Erfolg: Schon 1710 erklärte Peter der Große Sankt Petersburg anstelle von Moskau zur Hauptstadt des Russischen Zarentums (ab 1721: des Russischen Reichs). Bis auf ein kleines Zwischenspiel in den Jahren 1728 bis 1732, als der Hof in Moskau weilte, blieb Petersburg seitdem und bis 1918 Hauptstadt Russlands. Beim Adel stieß die Maßnahme auf wenig Begeisterung, nur ungern gab man die bequemen Wohnsitze in Moskau auf.

   Die Blütezeit der Stadt 

Anna war die vierte Tochter von Iwan V. (1666–1696) von Russland und dessen Gemahlin Praskowja Fjodorowna Saltykowa (1664–1723). In den Personenbeschreibungen der Geschichte galt sie nicht gerade als friedfertig. Sie war seit 1710 mit Friedrich Wilhelm Kettler verheiratet und fungierte nach dessen Tod als – allerdings nicht unbestrittene – Regentin von Kurland. Unter der Zarin Anna erhielt Sankt Petersburg, die Gründung ihres Halbonkels, den Status der Hauptstadt zurück.Peter, einer der Pioniere der Industriespionage, ließ Handwerker und Ingenieure aus ganz Europa, insbesondere aus den Niederlanden, kommen, die die neue Hauptstadt von Anfang an zu einem Zentrum europäischer Technik und Wissenschaft machen sollten. Nach dem Tod Peter des Großen 1725 legte sich der Enthusiasmus der russischen Herrscher für das Fenster zum Norden. Moskau wurde wieder Hauptstadt. Erst Zarin Anna kehrte wieder nach Sankt Petersburg zurück. Dieses wurde erneut Hauptstadt, Annas stadtplanerische Entscheidungen prägen Petersburg noch heute. Sie verlegte sowohl das Stadtzentrum von der heute so genannten Petrograder Seite auf die Admiralitätsseite der Newa, zum anderen legte sie die bis heute wichtigsten Hauptstraßen, den Newski Prospekt, die Gorochowaja Uliza und den Wosnessenski Prospekt an.

Flanieren über den Newski Prospekt anlässlich des Karnevals,
was aber leider durch zuviel Polizeipräsenz fast unmöglich wurde.

Trotzdem residierte sie weiterhin lieber und öfter in Moskau. Zarin Elisabeth (1741–62) und vor allem Katharina II. "die Große" (1762–92) setzten wieder auf eine verstärkte Öffnung des Reichs nach Westen, indem sie Künstler und Architekten nach Sankt Petersburg holten. In der Zeit Elisabeths entstanden die meisten der Prunkbauten, die bis heute das Stadtbild bestimmen, sie ließ unter anderem den Winterpalast und das Smolny-Kloster bauen. Den Katharinenpalast ließ sie zu Ehren ihrer Mutter umgestalten, der Stil Francesco Rastrellis begann die Stadt zu prägen.

Die neben Peter wahrscheinlich wichtigste Gestalt in der Geschichte der Stadt ist Katharina die Große, die 1762 den Thron bestieg. Sie sah sich – zumindest bis die Französische Revolution ausbrach – dem Geist der Aufklärung verpflichtet und setzte auf Bildung und Kunst. Katharina II. gründete in ihrer Zeit 25 akademische Einrichtungen sowie mit dem Smolny-Institut die erste staatliche russische Schule für Mädchen. Das Reiterstandbild Peters des Großen, ein Wahrzeichen der Stadt, stammt ebenfalls aus dieser Zeit. Ende des 18. und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erlebte die Stadt eine Blütezeit, vorerst vor allem auf kulturellem, später auch auf wissenschaftlich-technischem Gebiet. Die erste russische Ballettschule entstand 1738 in der Stadt. 1757 eröffnete die Akademie der Künste, in der bis heute Maler, Bildhauer und Architekten ausgebildet werden. Theater und Museen, höhere Schulen und Bibliotheken entstanden. 1783 eröffnete das Mariinski-Theater, in dem später die großen Nationalopern Michail Glinkas aufgeführt werden sollten. 1819 entstand aus dem Pädagogischen Institut die Petersburger Universität.

   Aufstände, Attentate, Revolutionen  
Zar Alexander II.

In der Soldaten- und Regierungsstadt Sankt Petersburg fanden bis 1918 alle wichtigen Revolten und Revolutionen der russischen Geschichte statt, der Dekabristenaufstand 1825 ebenso wie die Ereignisse, die langfristig zur Gründung der Sowjetunion führten. In Sankt Petersburg nahmen Ende des 19. Jahrhunderts Unruhen und kleinere Aufstände zu. Die Stadt war Schauplatz zahlreicher Attentate gegen Mitglieder des Zarenhofs und der russischen Verwaltung; unter anderem wurde hier 1881 Alexander II. ermordet.

1881 Attentat auf Zar Alexander II.
1881 Attentat auf Zar Alexander II.

Revolutionäre Parteien und Vereinigungen gründeten sich, die von der Polizei blutig verfolgt wurden. In Sankt Petersburg begann mit dem Petersburger Blutsonntag die Revolution von 1905 bis 1907. Als Folge wurde die zweite Duma der russischen Geschichte in der Stadt eröffnet, sie blieb politisch allerdings einflusslos. Auch die Februarrevolution 1917 fand vor allem in Sankt Petersburg statt. Das Startsignal für die Oktoberrevolution 1917 gab ein Schuss des Kreuzers Aurora im Petrograder Hafen. Der nahe gelegene Hafen von Kronstadt bildete das Zentrum eines anarchistisch und rätekommunistisch inspirierten Matrosenaufstands gegen die Diktatur der Bolschewiki, der von Leo Trotzki blutig niedergeschlagen wurde. Lenin erklärte Moskau (wieder) zur sowjetischen und russischen Hauptstadt. Die Bevölkerung der Stadt sank innerhalb weniger Jahre durch Bürgerkrieg und die dadurch verursachte Hungersnot ebenso wie sekundär durch den Statusverlust und den Umzug der gesamten Regierung und Verwaltung nach Moskau erheblich.

   St. Petersburg wird umbenannt in Leningrad  

Nach dem Tode Lenins wurde die ehemalige Stadt der Zaren in Leningrad umbenannt. Das Machtzentrum der UdSSR verschob sich dennoch immer mehr nach Moskau. Hatten die Funktionäre der KPdSU in Leningrad anfangs noch gesamtstaatlichen Einfluss, änderte sich das mit dem Ausbau der persönlichen Macht Stalins. 1934 wurde im Rahmen der stalinistischen Säuberungen der populäre Leningrader Parteichef Sergei Kirow in seinem Büro ermordet, der ehemalige Vorsitzende des Petrograder Sowjets Grigori Sinowjew fiel einem Schauprozess zum Opfer, ein anderer ehemaliger Vorsitzender des Petrograder Sowjets, Leo Trotzki, wurde 1940 im mexikanischen Exil ermordet.

Diktator Josef-Stalin.

Auch in der Stadtplanung zeigte sich die Auseinandersetzung zwischen Moskau und Leningrad. Der Generalplan von 1935 sah vor, das Stadtzentrum nach Süden zu verlegen, an den neu geschaffenen Moskauer Platz am Moskauer Prospekt. Zentrum Leningrads sollte das an dessen Ostseite gelegene Haus der Sowjets werden, ähnlich dem für Moskau geplanten Palast der Sowjets. Der Moskauer Platz und seine Umgebung sind in der Form des typischen Zentrums der Sozialistischen Stadt angelegt, wie man es dutzendfach in der ehemaligen Sowjetunion finden kann. Der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs und materielle Schwierigkeiten bedeuteten schließlich das Aus für die Verlegung des Zentrums. Der Platz ist bis heute der größte der Stadt. Beobachter werten den Leningrader Generalplan allgemein als Angriff auf das alte Petersburg. Durch die Verlegung des Zentrums sollte das alte Sankt Petersburg abgewertet werden. Form und Benennung (Moskauer Platz, Moskauer Prospekt) der neuen Mitte sollten der Stadt ihre Besonderheit nehmen und sie zu einer unter vielen Sowjetstädten machen.

   Leningrader Blockade 

Während des Zweiten Weltkrieges wurde die Stadt fast 900 Tage lang von deutschen Truppen unter Generalfeldmarschall Wilhelm Ritter von Leeb belagert. In der Zeit der Belagerung vom 8. September 1941 bis zum 27. Januar 1944, in der die Wehrmacht auf Befehl Hitlers keine Eroberung Leningrads versuchte, sondern stattdessen die Stadt systematisch von jeglicher Versorgung abschnitt, starben über eine Million Zivilisten. Eine geheime Weisung des Oberkommandos der Wehrmacht vom 23. September 1941 lautete: "Der Führer ist entschlossen, die Stadt Petersburg vom Erdboden verschwinden zu lassen. Es besteht nach der Niederwerfung Sowjetrusslands keinerlei Interesse am Fortbestand dieser Großsiedlung." Ab Frühjahr 1942 wurde das historische Ingermanland, zu dem ein Großteil des Gebietes von Leningrad gehörte, dann als "deutsches Siedlungsgebiet" in die Annexionspläne des Generalplan Ost mit einbezogen. Das implizierte den Genozid an den etwa drei Millionen Einwohnern Leningrads, die bei dieser "Neuordnung des Ostraums" keinen Platz mehr gehabt hätten.

Oben: Generalfeldmarschall Wilhelm Ritter von Leeb.

In der Zeit der deutschen Belagerung Leningrads konnten Nahrungsmittel zur Versorgung der Millionenstadt nur unter großen Gefahren per Flugzeug oder im Winter über den vereisten Ladogasee per Bahn und LKW nach Leningrad gebracht werden. Die Route über den See lag im Schussfeld der Wehrmacht, im Schnitt kam von drei gestarteten LKW einer in Leningrad an. Besonders dramatisch war die Situation im Jahr 1941. Durch Luftangriffe wurde ein Großteil der Nahrungsmittelvorräte vernichtet, zudem brach der Winter ungewöhnlich früh ein. Der Abwurf gefälschter Lebensmittelbezugsscheine aus Flugzeugen der Wehrmacht tat ein übriges. Die Rationen sanken im Oktober auf 400 Gramm Brot für Arbeiter, 200 Gramm für Kinder und Frauen. Am 20. November 1941 wurden sie auf 250 Gramm, respektive 125 Gramm reduziert. Zudem herrschten Temperaturen von bis zu –40 Grad Celsius in einer Stadt, in der Heizmaterial äußerst knapp war. Allein im Dezember 1941 starben circa 53.000 Menschen. Viele von ihnen fielen einfach vor Entkräftung auf der Strasse um. Die Dichterin Anna Achmatowa beschrieb 1941 die Stimmung in der Stadt:

Todesvögel stehen in der Luft
da Leningrad um Hilfe ruft.
Lärmt nicht, noch kann es atmend sich erheben
hört: noch alles ist am Leben.
Auf der Ostsee tiefem Grund
stöhnen die Söhne im Schlaf sich wund.
"Brot!" – aus innersten irdischen Qualen
dringt dieser Ruf zu den Himmelsschalen.
Doch der Himmel hat kein Brot
Und aus den Fenstern blickt der Tod.
"Sawitschews sind gestorben.
Gestorben sind alle. Tanja ist allein".

Das schrieb die elfjährige Tanja Sawitschewa im Mai 1942 in ihr Heft in Großbuchstaben. Dieses Tagebuch wurde zum Symbol der Blockade und war eines der Beweisdokumente im Nürnberger Prozess.

Während der Belagerung wurden etwa 150.000 Artilleriegeschosse auf die Stadt abgeschossen, etwa 100.000 Fliegerbomben fielen. Bei Versuchen der Roten Armee, die Belagerung zu sprengen, kamen dazu etwa 500.000 sowjetische Soldaten ums Leben. Versuche 1941 und 1942 scheiterten, erst mit der Einnahme von Schlüsselburg am 18. Januar 1943 gelang es, wieder eine Versorgungslinie in die Stadt zu etablieren. Die Offensive, die die Stadt befreien sollte, begann am 14. Januar 1944 und konnte am 27. Januar 1944 zum Abschluss gebracht werden. Nach neueren Angaben des russischen Historikers Walentin Kowaltschuk starben in den drei Jahren der Belagerung etwa zwei Millionen Russen, davon mindestens 750.000 Zivilisten. Damit starben etwa 3–4 mal so viele Sowjetbürger, wie in der damals etwa 450.000 Einwohner umfassenden Wolga-Metropole Stalingrad.

Der Versuch, die Blockade von Leningrad und deren Folgen völkerrechtlich und moralisch zu bewerten, hat in der Geschichtswissenschaft zu kontroversen Ergebnissen geführt. Ein Teil der Historiker sieht dabei den Hungertod von Hunderttausenden von Menschen als tragisches Ergebnis einer Strategie an, für die es in der Geschichte viele Präzedenzfälle gibt und die daher nicht per se gegen überkommenes Kriegs- und Völkerrecht verstoßen habe. Andere Forscher hingegen sprechen von einem deutschen "Genozid" an der Bevölkerung Leningrads, basierend auf einer "rassistisch motivierten Hungerpolitik", welche sich zum integralen Bestandteil eines beispiellosen deutschen Vernichtungskrieges gegen die Sowjetunion entwickelt habe.

Das Heldendenkmal in St. Petersburg
   Nach dem Krieg  
Die St. Isaak Kathedrale.

Die Behandlung Leningrads nach dem Großen Vaterländischen Krieg, wie der Krieg gegen Deutschland im Zweiten Weltkrieg in Russland genannt wird, war widersprüchlich. Einerseits war die Stadt zu dem sowjetischen Symbol von Widerstandswillen und Leiden im Krieg geworden – andererseits tobten Machtkämpfe zwischen Leningrader und Moskauer Funktionären noch bis in die 1950er-Jahre hinein. Der Wiederaufbau Leningrads wurde zur Prestigeangelegenheit der Sowjetunion. Innerhalb kürzester Zeit wurden eine Million Arbeiter in die Stadt gezogen, die sie wiederaufbauten – die Restaurierung der Kulturdenkmale besaß dabei eine besondere Wertigkeit. Bereits 1945 erhielt die Stadt zusätzlich die Auszeichnung als Heldenstadt.

Der sowjetische Ministerpräsident Nikita Chruschtschow im Gespräch mit Arbeitern.

Ebenfalls in den Nachkriegsjahren wurden zahlreiche neue Stadtteile gebaut – 1963 war das Jahr, in dem mehr neuer Wohnraum in der Stadt geschaffen wurde als je vorher oder nachher. Andererseits musste das 250-jährige Stadtjubiläum verschoben werden: 1953 war der Machtkampf noch im Gange und jede positive Erwähnung unerwünscht – zudem war gerade Stalin gestorben, eine Feierlichkeit, egal aus welchem Anlass, erschien nicht angebracht. Die Feier musste 1957 unter Nikita Chruschtschow nachgeholt werden – ohne die Erwähnung, dass es eigentlich der 254. Geburtstag war.

In den Folgejahren hielt die Stadt ihren Ruf als große Industriestadt und eines der wissenschaftlichen Zentren der Sowjetunion. Das politisch-kulturelle Zentrum Russlands und der Sowjetunion lag zu dieser Zeit aber klar in Moskau. Die Bevölkerung war durch die Ereignisse der Kriegs- und Nachkriegszeit ebenfalls zu einem Großteil ausgetauscht worden – die Verbundenheit mit Petersburg in der Stadt wurde zunehmend schwächer. 1988 wurden bei einem Brand in der Akademie der Wissenschaften ungefähr eine Million Bibliotheksbände ein Opfer der Flammen. 1989 wurde die Innenstadt unter Denkmalschutz gestellt.

Nach einer Volksabstimmung, in der sich am 12. Juni 1991 54 Prozent der Bevölkerung für die Rückkehr zum historischen Namen aussprachen, nahm die Stadt am 6. September 1991 wieder ihren ursprünglichen Namen an. Die umgebende Verwaltungseinheit blieb aber ebenfalls nach einer Volksabstimmung weiterhin als Leningrader Gebiet (Oblast Leningrad) bestehen.

Bei dem Putschversuch gegen Präsident Boris Jelzin im Oktober 1993 sammelte der damalige Petersburger Oberbürgermeister Anatoli Sobtschak die Anhänger der Demokratie um sich, es kam zu einer großen Demonstration vor dem Winterpalast gegen die Putschisten.1999 wurde die Fläche der Stadt Sankt Petersburg durch die Satellitenstädte Kolpino, Puschkin, Lomonossow, Kronstadt, Peterhof sowie angrenzende Vororte großzügig erweitert. Diese Städte gelten jetzt als Stadtbezirke von Petersburg und gehören daher nicht mehr administrativ und territorial zur Oblast Leningrad. Am 27. Mai 2003 wurde das 300-jährige Jubiläum der Stadt begangen. Im Zuge dessen wurden im Vorfeld Teile der Altstadt und verschiedene Paläste saniert, sowie das legendäre Bernsteinzimmer rekonstruiert.

Der russische Staat gab für die Rekonstruktionen des Bernsteinzimmers ein bis zwei Milliarden Euro aus.

Der russische Staat gab für die Rekonstruktionen ein bis zwei Milliarden Euro aus. Die deutsche Firma Ruhrgas, eng verbunden mit dem staatlichen russischen Energiekonzern Gazprom, hat sich erheblich durch eine Spende von 3,5 Millionen Dollar an den Kosten zur Rekonstruktion des Bernsteinzimmers beteiligt. Am 31. Mai des Jahres weihten Russlands Präsident Wladimir Putin und Deutschlands Bundeskanzler Gerhard Schröder offiziell das rekonstruierte Bernsteinzimmer ein. Die Stadt stand das erste Mal seit langer Zeit wieder im Zentrum der Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit. Da sich ein Großteil der Renovierungen allerdings auf die Fassaden und die besonderen Prunkstücke konzentrierte, vermuteten Kritiker, dass es sich hierbei um – geschichtlich ohnehin eng mit Petersburg verbundene – Potjomkinsche Dörfer handele. Später sind jedoch die kritischen Vermutungen, alle Arbeiten würden nur für die Festtagsgäste zum 300-jährigen Jubiläum durchgeführt und danach eingestellt, verstummt, da die Renovierungen der Stadt auch nach den Feierlichkeiten weitergingen und bis heute andauern, was teilweise durch Heranziehung privater Investitionen ermöglicht wird.

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