Professor Dr. Martin LutherDr. Martin Luther und Johannes Calvin Johannes Calvin

Johannes Calvin, (hier auf seinem Sterbebett) eigentlich Jean Cauvin (* 12. Juli 1509 in Noyon, Picardie, gest. am 27. Mai 1564 in Genf), war ein Reformator französischer Abstammung und Begründer des Calvinismus.

  Der Calvinismus  

Calvin: Noch heute gilt seine Darstellung mit ihrer Betonung der Herrschaft Gottes und der Mächtigkeit seines unabänderlichen Willens als eine der denkerisch bedeutsamsten Kundgebungen der Reformation.

Johannes Calvin (1509-1564) ist Reformator der zweiten Generation. Kühl und intellektuell, hat er seine Herkunft von der Rechtswissenschaft nie ganz verleugnen können. Aus seiner Heimat Frankreich vertrieben, veröffentlichte er in Basel als 27jähriger die Institutio religionis christianae. Es war eine systematische Darstellung der evangelischen Lehre - nur Luthers Mitarbeiter Philipp Melanchton hat eine ähnliche Systematik vorgelegt -, durch die Calvin mit einem Schlage berühmt wurde. Bis zu seinem Lebensende hat er an diesem Werk gearbeitet. Noch heute gilt seine Darstellung mit ihrer Betonung der Herrschaft Gottes und der Mächtigkeit seines unabänderlichen Willens als eine der denkerisch bedeutsamsten Kundgebungen der Reformation. Calvin hat die paulinische - sprich augustinische Prädestinationslehre, die auch bei Luther gelegentlich anklingt, zu der Folgerung weitergebildet, daß sowohl die Erwählung der geretteten als auch die Verwerfung der verlorenen Menschen auf einen unabänderlichen Ratschluß Gottes zurückgehe. Anhänger Calvins haben aus dieser doppelten Prädestination späterhin ableiten wollen, daß sich Gottes Erwählung bereits in weltlichem Glück und Wohlstand dokumentiere, und es ist behauptet worden, daß die Wirtschaftsgesinnung des modernen Kapitalismus hier eine ihrer Wurzeln habe. Die Reformation hat die Christenheit in zwei und mehr Lager gespalten. Der Gang der Geschichte Mitteleuropas ist auf Jahrhunderte hinaus dadurch bestimmt worden, daß in und nach den blutigen Glaubenskriegen die Macht der Territorialstaaten stabilisiert wurde und der Augsburger Religionsfriede von 1555 das Prinzip "cuius regio eius religio - wem das Land gehört, der entscheidet über den Glauben" zur herrschenden Norm machte.

Links: Augsburger Friede. Rechts: Urkunde vom Augsburger Frieden.
Die Deutschen sind ein Volk erst durch Luther geworden, sagte schon Goethe.

Auf weite Sicht gesehen hat die Reformation die Loslösung von den alten, bis dahin als objektiv geltenden Autoritäten eingeleitet, die Emanzipation des Individuums erbracht und damit die Kristallisation, jener autonomen Kräfte beschleunigt, die seit mehr als zwei Jahrhunderten das Antlitz Europas bestimmen. Doch sei noch ein Wort über die allgemeine Kulturbedeutung der Reformation gesagt, weil ohne sie unser heutiges geistiges Leben nicht denkbar wäre. Sie geht weit hinaus über zweifellos so wichtige Tatsachen wie die Begründung des evangelischen Pfarrhauses oder die Neubelebung des Kirchenliedes durch Martin Luther. Auch moderne katholische Lutherforscher, die dem Grundanliegen der Reformation gerecht zu werden suchen, erkennen die allgemeine kulturelle Bedeutung der Reformation dankbar an. Es genügt allein, darauf hinzuweisen, daß unsere neuhochdeutsche Schriftsprache und damit die Einheit des deutschen Geistes ohne die lutherische Bibelübersetzung undenkbar wäre: "Die Deutschen sind ein Volk erst durch Luther geworden" (Goethe). Zu Luthers Zeit waren deutsches Volksbewußtsein und Nationalgefühl erst im Erwachen begriffen; ihn selber hat stärker noch Wesen und Funktion des Staates bewegt, den er als eine in der Schöpfung angelegte Ordnung begriffen hat, als "Reich Gottes zur linken Hand".

Links: Angebliche Volksvertreter - die aber nur ihr eigenes Wohlergehen im Auge haben. Und wie Luther schreibt: Ein Notgemächte der Sünde. Rechts: Ihr grosses Vorbild: Ludwig der XIV. der Sonnenkönig mit seinem legendären Satz: Der Staat bin ICH!

Der Staat, obschon selbst ein "Notgemächte der Sünde", ist dazu da, das Schwert zu führen, um noch größerer Sünde zu wehren. (Anmerkung: Dass aber der Staat selbst die größten Sünden begeht und gegen die Menschenwürde verstößt, das wollte Luther garantiert nicht). Das Schwert der Obrigkeit ist für Luther "ein göttlicher Stand" gewesen, um den "Herrn omnes", wie er sagt, in Zucht zu halten. Aber einen "christlichen" Staat hat Luther nicht gekannt, sondern seine Wirkung auf das soziale Gefüge bedeutete gerade eine reinliche Scheidung der Bereiche - im Guten wie im Bösen eine Verweltlichung der Welt. Man hat oft schon gemeint, daß Luthers dualistische Lebenslösung Deutschlands Schicksal geworden sei, weil er dem Staate eine schicksalhafte Gewalt über den Menschen eingeräumt, diesen Staat aber als eine "äußerliche Ordnung"und ein "weltlich Ding" von der Kirche emanzipiert hat. Die schwierigsten Fragen der deutschen Religions- und Geistesgeschichteknüpfen sich an dieses unverbundene Nebeneinander zweier Herrschafts- und Lebensordnungen, gestellt auf die schmale und nicht dauerhafte Brücke eines landesherrlichen Kirchenregiments.

Zu den -segensreichsten- Auswirkungen der Agenda 2010, die ja ebenfalls eine Reformation war, gehört die per Gesetz verordnete Armut. Und ein schnelles Sterben. (Siehe Bilder oben). Insofern hat Luther dem Staate wirklich eine schicksalhafte Gewalt über den Menschen eingeräumt. Und der Wähler ist so blöde und wählt auch noch seine Henker! Ob Luther damit auch Hartz IV gemeint hat und Repräsalien gegen das Volk und Zwangsumzüge? Man sagt: 409 Euro entsprächen 818,- DM. Das stimmt nicht. 409 Euro sind 409 DM und davon kann kein Mensch leben. Und man soll nicht behaupten, dass die tatsächlichen Heizkosten übernommen werden würden. Es werden pro Person nur 36 Euro Heizkosten bezahlt. Den Rest muss man von diesen 409 Euro dazulegen. Der Euro ist der größte Betrug gewesen. Nur die Oberen merken es nicht. Naja, wenn ich 9000 € im Monat verdienen würde, würde es mir auch egal sein.

Zu den segensreichsten Auswirkungen der Reformation aber gehört in Fortführung des benediktinischen "Ora et labora" die Weihe des irdischen Berufes und die Heiligung aller ehrlichen, im Aufblick zu Gott getanen Arbeit. Die Katholische Kirche kannte nur einen Stand, in den man berufen wird, den des Priesters. Luther hat diese Auffassung auf alle irdischen Berufe übertragen. Damit ist, wie Heinrich Bornkamm einmal gesagt hat, die grundsätzliche Gleichheit aller Stände und Arbeitsgebiete vor dem höchsten Richterstuhl, vor den Augen Gottes, ausgesprochen worden. Aus der täglichen Werkarbeit als Gottesdienst ist das Arbeitsethos der Neuzeit erwachsen.

  Bete und arbeite und lasse Deinen Lohn den Lobbyisten und den Voksvertretern! Oder schaff ' und erwirb, zahl Steuern und stirb!   
Das Konzil von Trient. Das Hartz Vier Konzil der Agenda 2010 in Berlin.

Die anfängliche Unsicherheit der Katholischen Kirche der Reformation gegenüber wich bald einer Periode innerer Erneuerung und äußerer Auseinandersetzung, die man allgemein als Gegenreformation (oder als "katholische Reformation") zu bezeichnen pflegt. Das Konzil von Trient (1545-1563) beendete viele Mißstände der Kirche und bezog Stellung zu den umstrittenen Lehren. Die allein gültige Lehre der Katholischen Kirche wurde formuliert im Tridentinischen Glaubensbekenntnis, das Papst Pius IV. einem Beschluß des Konzils entsprechend 1564 veröffentlichte. Schrift und Tradition wurden zu gleichwertigen Quellen der Lehre erklärt, die lutherische Rechtfertigungslehre und Abendmahlsauffassung verworfen. Die Betonung der Tradition als Quelle der Lehre hatte außerordentlichen Einfluß auf spätere dogmatische Entscheidungen, besonders auf die der päpstlichen Unfehlbarkeit (1870) sowie der Unbefleckten Empfängnis (1854) und der Himmelfahrt der Jungfrau Maria (1950).

Keine Frau der Welt - und sei sie noch so heilig und aussergewöhnlich, kann ein Kind auf die Welt bringen ohne empfangen zu haben. Selbst bei einer künstlichen Befruchtung wird oder hat sie empfangen.

Links: Keine Frau der Welt - und sei sie noch so heilig und aussergewöhnlich, kann ein Kind auf die Welt bringen ohne empfangen zu haben. Selbst bei einer künstlichen Befruchtung - wenn es diese schon damals gegeben hätte - wird oder hat sie empfangen. Rechts: Und kein Mensch der Welt - egal ob Männlein oder Weiblein, könnte ohne Sauerstoff in den Kosmos fliegen - hier ist der Himmel gemeint. Selbst wenn Jesus damals mit Lichtgeschwindigkeit in den Himmel geflogen ist - so wäre er heute im Jahre 2018 noch nicht dort.

Gleichzeitig gab das Konzil von Trient der Inquisition als dem Mittel zur Bekämpfung der Irrlehren neue Bedeutung. Mittelpunkt dieser katholischen Reformation wurde die Gründung und Ausbreitung des Jesuitenordens. Dieser wirkte entscheidend daran mit, den Protestantismus in Ungarn und Polen zurückzudrängen, einen großen Teil Deutschlands und Frankreichs wieder unter den Einfluß Roms zu bringen und die schwachen Anfänge des Protestantismus in Italien zu unterdrücken. Der Orden nahm sich besonders des Erziehungswesens an und gründete in ganz Europa ausgezeichnete Schulen. Die Missionare der Societas Jesu drangen bis nach Indien, Japan, China und in die Neue Welt vor.

Mit Jesuitenverbot wird insbesondere der in der kath. Kirchengeschichte einzigartige Vorgang bezeichnet, bei dem der Papst Clemens XIV, 1773 den stärksten Orden aufhob und dem Papsttum damit eine wichtige Stütze raubte. Daneben sind noch Verbote der Jesuiten in mehreren anderen Ländern zu späteren Zeiten vorgekommen. In der Schweiz gab es in der Bundesverfassung bis 1973 ein Jesuitenverbot.

Mit Jesuitenverbot wird insbesondere der in der kath. Kirchengeschichte einzigartige Vorgang bezeichnet, bei dem der Papst Clemens XIV, 1773 den stärksten Orden aufhob und dem Papsttum damit eine wichtige Stütze raubte. Daneben sind noch Verbote der Jesuiten in mehreren anderen Ländern zu späteren Zeiten vorgekommen. In der Schweiz gab es in der Bundesverfassung bis 1973 ein Jesuitenverbot.

Ignatius von Loyola (1491-1556), der Stifter des Ordens, stammte aus baskischem Adel. Seine Laufbahn als Offizier wurde durch eine schwere Verwundung beendet. Während seines Krankenlagers beschloß er, sein Leben in den Dienst der Kirche zu stellen, und weihte Waffen und Rüstung der Jungfrau Maria. Im Jahre 1534 gelobte er in Paris, wo er studierte, zusammen mit sechs Freunden bedingungslosen Dienst für den Papst. Als Ignatius, der erste "General" des Ordens, starb, war die Gesellschaft Jesu bereits zu einer einflußreichen Macht geworden, und zwar durch sorgfältige Auswahl ihrer Mitglieder, durch strengste Disziplin und brennenden Glaubenseifer. Die Exercitia spirituatia des Ignatius sind noch immer das berühmteste Lehrbuch, das durch strenge Willensübungen den Menschen an ein gestecktes geistiges Ziel heranführt, doch enthält es auch starke mystische Elemente.

Ignatius von Loyola oder Íñigo López de Loyola (* 31. Mai 1491 auf Schloss Loyola bei Azpeitia; gest. 31. Juli 1556 in Rom), war der wichtigste Mitbegründer und Gestalter der später auch als Jesuitenorden bezeichneten Gesellschaft Jesu (lat.: Societas Jesu, SJ). Er wurde 1622 heilig gesprochen. Seit der Reformation verbindet sich die Geschichte der christlichen Kirche untrennbar mit den einzelnen Staaten Europas. So bewirkte auch nicht ein neues Frömmigkeitsgefühl den Anfang der Anglikanischen Kirche in England. Es waren vielmehr kirchenpolitische Erwägungen, die König Heinrich VIII. im Jahre 1534 veranlaßten, die Autorität des Papstes abzulehnen und sich als oberstes irdisches Haupt der Kirche zu erklären. Dies gab der Anglikanischen Kirche ihre merkwürdige Mittelstellung zwischen Katholizismus und Protestantismus. In Frankreich hat Kardinal Richelieu (1585-1642) bewußt als Minister des Königs die Interessen der Kirche dem Thron untergeordnet. Er zögerte nicht, die französische Heeresmacht im 3Ojährigen Krieg mit protestantischen Staaten zu verbinden, wenn dies Gelegenheit bot, dem französischen Königshaus die Vormachtstellung in Europa zu sichern. Und das tat das gleiche Frankreich, in dem der blutigen Bartholomäusnacht vom Jahre 1572 Tausende calvinistischer Hugenotten zum Opfer gefallen waren. Wieder auf andere Weise verbunden sind Religion und Politik in dem Engländer Oliver Cromweil (1599-1658), dem puritanischen Lordprotektor. In ganz Europa - im protestantischen und anglikanischen England, im ebenfalls protestantischen Skandinavien ebenso wie im katholischen Spanien - wurde die christliche Kirche ein Verbündeter und oft auch ein Handlanger des Staates.

Die eigentliche Lehrfreiheit und Toleranz wurde erst von der niederländischen Freiheitsbewegung und der englischen Revolution unter Oliver Cromwell möglich. Mit Nachdruck wurden alle verfolgt, die sich von den Staatskirchen trennten. Zumeist geschah dies nicht so sehr aus dogmatischen Erwägungen, als vielmehr aus dem Grunde, daß man die Absonderung als staatsfeindlich betrachtete. Anfangs war dies auch in der Neuen Welt nicht anders. Neun der dreizehn britischen Kolonien in Nordamerika hatten eine Staatskirche; erst die Unabhängigkeitserklärung der Kolonien 1776 brachte eine tiefgreifende Anderung in der verfassungsrechtlich fundierten absoluten Trennung von Kirche und Staat. Dieses Prinzip ist wohl der wichtigste Beitrag der amerikanischen Kirche zur Geschichte der Christenheit. Seit den Tagen des Kaisers Theodosius I., der im Jahre 380 zuverlässiges Staatsbürgertum und Mitgliedschaft in der christlichen Kirche zu praktisch synonymen Begriffen machte, hatte es dies nicht mehr gegeben - der einsame Ruf der Täuferbewegungen des Reformationszeitalters war ja ungehört verhallt.

Die Kirchengeschichte Deutschlands zwischen Reformation und Gegenwart ist geprägt von den großen geistesgeschichtlichen Erscheinungen der Neuzeit, mit denen die Entwicklung der Kirchen in steter Wechselwirkung stand. Auf die Reformation ist die Restauration gefolgt, das Zeitalter der lutherischen Orthodoxie, die das konfessionelle Bewußtsein gefestigt und im Streben nach reiner Lehre oft zu formaler Rechthaberei verhärtet hat. Das Luthertum wurde zur Pastorenkirche, die sich, in die staatskirchliche Form der Duodezstaaten eingeengt, des weltlichen Arms, das heißt der Hilfe der Polizei, gegen Andersgläubige bedienen konnte. Obschon es in diesem Zeitalter von 1650 bis 1750 auch viel ernste Herzensfrömmigkeit gegeben hat - man denke nur an Kirchenlied und Kirchenmusik von Paul Gerhard bis Johann Sebastian Bach -, so sind doch eigentliche Lehrfreiheit und Toleranz erst von der niederländischen Freiheitsbewegung und der englischen Revolution unter Oliver Cromwell mit großen Opfern an Gut und Blut erfochten worden und haben sich nur ganz langsam in Europa durchgesetzt.

Links: König Friedrich Wilhelm I. mit seinem geliebten Tabakskollegium. Rechts: König Friedrich Wilhelm I. - auch der Soldatenkönig genannt.

Alsdann hat der aus spiritualistischen Unterströmungen dieses Zeitraumes erwachsene Pietismus die persönliche Glaubenserfahrung gegenüber der objektiven Heilsbegründung in den Vordergrund gerückt und auf eine Verinnerlichung des religiösen Lebens gedrungen. In den Collegia pietatis Philipp Jakob Speners traten Rechtfertigung und Heiligung in eine ähnlich enge Beziehung, wie sie bei Luther bestanden hatte. Durch August Hermann Francke, der seit 1695 in Halle seine Stiftungen mit Waisenhaus, Armenschule, Pädagogium, Verlag, Bibelanstalt und Missionsgesellschaft gründete, und die um Francke sich sammelnden Pietisten wirkte die Bewegung unter dem Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. stark auf die Ausformung des preußischen Staatsethos ein.

Die Maria Verkündigungs Kathedrale in Moskau.

Die die Kräfte der Ratio entfesselnde Aufklärung, der philosophische Idealismus, die Romantik und die Erweckungsbewegung, die Pietismus und Orthodoxie verknüpfte und in Preußen mit der Verbindung von Thron und Altar die Idee des "christlichen Staates" ermöglichte, haben im 18. und im 19. Jahrhundert nebeneinanderher bestanden. Aber keine Richtung hat jemals die ganze Kirche zu erobern vermocht. Das bis zur Gegenwart reichende Zeitalter des Individualismus und Säkularismus hat in Mitteleuropa eine Vielfalt theologischer Lehrmeinungen und kirchenpolitischer Richtungen entstehen lassen, die einzeln aufzuzählen hier nicht möglich ist. Die über eine Milliarde Christen gliedern sich heute in vier große Gruppen: Die Römisch-Katholische Kirche, die Orthodoxe Kirche, die Anglikanische Kirche und den Protestantismus, der in eine geradezu erschreckende Vielzahl von kleineren Gemeinschaften zerfällt. Eine besondere Blüte dieses protestantischen Freikirchen- und Sektenwesens hat Nordamerika hervorgebracht, das ja von der strengen Ausschließlichkeit eines Staatskirchentums nicht behindert war. In den USA gibt es nicht weniger als 255 verschiedene Kirchen. Meist sind es nicht so sehr Lehrunterschiede, als vielmehr die verschiedene kulturelle Herkunft der Einwanderer, die in den zahlreichen Kirchengründungen ihren Niederschlag gefunden hat.

Der Hochaltar einer katholischen Kirche.

In Deutschland ist dies bekanntlich anders. Hier sind über 95 Prozent der Menschen, die sich zu einer Kirche bekennen, entweder Katholiken oder Protestanten. Der Rest teilt sich auf die verschiedenen Freikirchen - wie Methodisten, Baptisten, Heilsarmee usw. - auf. In der Schweiz sind 56,3 % der Einwohner Protestanten, 41,6 % Katholiken, während es in Österreich 89 % Katholiken und 6,2 % Evangelische sind. Der Lehre nach finden die Unterschiede zwischen den großen christlichen Konfessionen ihren Ausdruck vor allem in einer verschiedenen Sicht der Kirche. Für den Katholiken, den Orthodoxen und den Anglikaner ist die Kirche als der fortlebende Leib Christi eine von Gott eingesetzte Institution mit einer Priesterschaft, die vor allem am Altar das Wunder der Messe nachzuvollziehen hat. Dabei werden durch die Konsekration der Elemente das Brot und der Wein in den wahrhaftigen Leib und das Blut des Herrn Jesus Christus verwandelt, der in den Elementen gegenwärtig ist und sich als Seelenspeise anbietet. Die Kirche ist für den Katholiken, den Orthodoxen und den Anglikaner daher eine Stätte des Geheimnisses. Seine Anbetung konzentriert sich auf den Altar, wo das Wunder seiner Erlösung wiederholt wird und Christus wahrhaftig gegenwärtig ist. Ein Protestant dagegen steht nicht in diesem Glaubensraum; der Gedanke, daß ein sündiger Mensch - selbst wenn er ein Priester ist - Brot und Wein in Leib und Blut Christi verwandeln könne, ist ihm unerträglich.

Mit Absicht wird hier Papst Bendikt XIV. gezeigt, um der unglücklichen Schlagzeile einer grossen deutschen Tageszeitung zu entgehen: Von wegen *Wir sind Papst* - Besuch von Charles Bourbon bei Papst Benedikt XIV. in einem Kaffeehaus auf dem Quirinal (Gemälde von Giovanni Paolo Pannini 1691-1765).

Mittelpunkt des protestantischen Gottesdienstes ist die Predigt - die Auslegung des göttlichen Wortes. Die Gemeinde soll hören - und nicht sehen. Wenn ein Katholik einen protestantischen Gottesdienst besucht, wird ihn nicht nur der Wortreichtum der Predigt verwundern, sondern auch das Fehlen eines Hinweises, wo er denn Gott antreffen könne. Ein zweiter großer Unterschied zwischen den Kirchen rührt von der gegensätzlichen Auffassung der Sakramente her. Die Schwierigkeit besteht nicht allein darin, daß Katholiken, Orthodoxe und Anglikaner sieben Sakramente kennen, die Protestanten dagegen nur zwei (Quäker und Unitarier kennen überhaupt keine Sakramente im üblichen Sinn), sondern vor allem in der unterschiedlichen Sicht der Sakramente selbst - ob sie aus sich selbst heraus wirken oder nur für den wahrhaft Gläubigen. Je nachdem wird auch die Kirche als Heilsinstitution oder als eine das Heil im Glauben vermittelnde Anstalt gesehen. Auch der Grund der Lehre und die Organisation der christlichen Gemeinde werden unterschiedlich beurteilt.

Einige Kirchen stellen die apostolische Sukzession der Bischöfe, Priester und Diakone in den Mittelpunkt. Andere lassen ihre Geistlichen von der Gemeinde wählen. Die Autorität der Römisch-Katholischen Kirche ruht in einer Priesterschaft, die hierarchisch in einer großen Pyramide geordnet ist; an der Spitze steht der Papst, der Nachfolger des heiligen Petrus als Bischof von Rom und Haupt der sichtbaren Kirche Christi auf Erden. Sein erhöhtes Amt befähigt ihn, die Kirche in den Dingen des Glaubens und der Moral unfehlbar zu leiten. Er überträgt die Gewalt der Schlüssel auf die Bischöfe, und diese übertragen sie auf den einfachen Priester. Dieser besitzt damit die volle Autorität der Kirche: Er kann den einzelnen Christen von seiner Sünde lösen.

Die Geburt unseres Herrn Jesu vor 2000 Jahren.

Die Geburt Christi, vor so langer Zeit geschehen, bildet den großen Wendepunkt der menschlichen Geschichte. Die Religion, die aus diesem Ereignis entstand, hat die beständigste und am weitesten verbreitete Institution der Menschheit geschaffen: die christliche Kirche. Diese Kirche hat im Laufe der Jahrhunderte viele Formen angenommen, ihre zahlreichen Spaltungen lassen sich bis in die Anfänge der Apostelgeschichte zurückverfolgen, und manchmal will es scheinen, als sollten sie immer schwerer zu überbrücken sein. Gegenwärtig hofft eine ökumenische, das heißt eine universale, allgemeine Bewegung in der Weltchristenheit, einige dieser Spaltungen zu beseitigen. Die große Kluft zwischen Ost und West und zwischen Protestantismus und Katholizismus wird sie allerdings kaum überwinden. Und dennoch: Trotz dieser Zersplitterung der Christenheit bleibt die christliche Kirche eine der machtvollsten Erscheinungen dieser Erde. Und das Ganze ist größer und stärker als die Summe seiner Teile.

Eines aber verdient besonders hervorgehoben zu werden: Die christliche Kirche ist heute regsamer und wacher als zu irgendeiner Zeit seit dem 16. Jahrhundert. Angefangen von der päpstlichen Bulle "Rerum novarum" (1891) bis zur Gegenwart hat sie in allen ihren Konfessionen mit großem Verständnis und Eifer zu den Schwächen unserer Gesellschaftsordnung Stellung genommen. Der defensive Charakter christlicher Verkündigung aus der Zeit der letzten Jahrhundertwende ist fast verschwunden. Die Kirchen besitzen ein verstärktes Vertrauen in die Bedeutung ihres Auftrages. Und dieses Vertrauen beruht nicht zuletzt auf dem Ernst und der Achtung, die unsere Generation der religiösen Sicht aller Lebensfragen und der christlichen Antwort entgegenbringt. Das weitverbreitete Gefühl eines unbefriedigten religiösen Bedürfnisses der Menschen und die Unzulänglichkeit der von nichtchristlicher Seite gegebenen Antworten auf die letzten Fragen lassen die Gegenwart zur großen Stunde für das Christentum werden. Die Psychoanalyse und die Dialektische Theologie begegnen sich in der Feststellung, daß das Böse im Menschen tief unter den äußeren Schichten seiner Existenz liegt. Wird die christliche Kirche den modernen Menschen überzeugen können, daß die Gnade Gottes tiefer dringt als die Untersuchung des Psychotherapeuten?

Er gab sein Leben für die Sünden der Menschheit.

Wie nie zuvor erhebt sich heute die Gestalt Christi in ihrer Majestät hoch über die Trümmer menschlichen Versagens. Wie nie zuvor ist das Kreuz Christi heute das reine Symbol menschlicher Hoffnung. Wie nie zuvor ist in unseren Tagen das Gebet der ökumenischen Christenheit zeitgemäß und zutreffend:" O gnädigster Vater, wir bitten Dich demütiglich um Deine Heilige Christliche Kirche, daß Du sie in Frieden mit aller Wahrheit füllen mögest. Reinige sie, wo sie verdorben ist; leite sie, wo sie fehlt; reformiere sie, wo sie auf falschem Wege geht; stärke sie, wo sie im Recht ist; stütze sie in ihrer Not; vereinige sie in ihrer Spaltung. Um Jesu Christi, Deines Sohnes, unseres Herrn, willen, der da starb, am dritten Tage auferstand und Fürbitte für uns leistet. Amen."

Ende der christlichen Religion.