Zur Erklärung, warum wir erst in Kirow eingestiegen sind: Durch einen dummen Zwischenfall hatten wir den Sibirien-Express in Moskau verfehlt. . Jetzt war guter Rat teuer, denn der Zug fuhr nur einmal die Woche. Wie nun sollen wir ihn noch erreichen? Immerhin waren das über 800 km. Mit dem Taxi hätten wir 12 Stunden benötigt. . Und dann war es noch die Frage, ob wir ihn überhaupt noch erwischen würden? Kurz entschlossen erkundigten wir uns im Moskauer Bahnhof, wo man einen Privatjet mieten könnte? Das war ein schwieriges Unterfangen, denn in Russland ist alles anders, denn da gibt es nicht mal so einen Privatpiloten und einen Jet zu mieten. Es war reiner Zufall, dass ein Mann im Bahnhof unser Marlheur mitbekam - etwas verlegen grinste - und uns anbot uns an zum Flughafen im Taxi mitzunehmen, denn er war ein Geschäftsmann auf der Durchreise, der in Moskau Station machte und 2 Stunden Aufenthalt hatte. (Wahrscheinlich hatte er in der Stadt noch etwas zu erledigen?) Aus welchen Gründen er sich auch immer am Moskauer Bahnhof aufhielt ging uns nichts an. Jedenfalls war sein Ziel auch Kaznan. Selbstverständlich beteiligten wir uns an den Taxikosten. Doch er lehnte höflich ab. "Wieso bezahlen?" meinte er, "ich muss doch eh dorthin, und wenn ich Ihnen einen Gefallen damit erweisen kann, warum denn nicht?" Also blieb uns nur ein ganz großes Danke zu sagen. . Was wir nicht wussten war, dass der Mann Geschäftsmann war und mit einem Privatjet unterwegs war. Umso erstaunter waren wir, dass er uns auch noch einlud mit ihm nach Kirow zu fliegen. Man sieht also, dass die Russen genauso nette Menschen sind wie man sie überall auf der Welt antrifft. Aber diesmal wollten wir uns an den Flugkosten beteiligen, welche er aber ebenfalls höflich ablehnte mit den Worten: "Ich werde doch von der Tochter meines Geschäftsfreundes Litmanen kein Geld annehmen!" Jetzt waren wir im wahsten Sinne des Wortes Baff. Des Rätsels Lösung: Jeanette hatte am Bahnhof ihren Namen genannt, da man sie fragte auf welchen Namen sie gebucht hatte. Am Flughafen lachte der Mann und erklärte Jeanette, dass er sie gleich erkannt hatte, da er sie öfter bei geschäftlichen Besprechungen mit ihrem Vater in Russland gesehen hatte, und uns nur deshalb das Angebot machte. Jeanette drückte ihm die Hand und ließ durchblicken, dass sie das ihrem Vater gegenüber lobend erwähnen würde.

Dank des Geschäftsmannes waren wir früher in Kirow als der Sibirien-Express.
      Von Moskau nach Peking.       
Illustriert von MGB
Noch rechtzeitig erwischt.
Stationen von Kirow über Kazan nach Perm
Wir auf dem Bahnsteig in Kirow

Viel Zeit blieb natürlich nicht, da unser Sonderzug nur eineinhalb Stunden Aufenthalt hatte. So blieben nur die wichtigsten Sehenswürdigkeiten, und die quasi auch noch im Sauseschritt. Andere Reisende haben das auch bestätigt, wie hier zu sehen.

Wir beschlossen daraufhin uns mit dem Reiseleiter zu arrangieren, dass es so nicht ginge, (immerhin wurde der Sonderzug extra gemietet) worauf dieser sich bei seiner Dienststelle erkundigte, ob man nicht längere Aufenthalte einlegen könnte. Das OK kam für russische Verhältnisse bemerkenswert schnell und lag bereits nach einer halben Stunde vor mit dem Vermerk: Dass alle Reisenden dieses Sonderzuges einen Zuschlag von etwa 200 Euro zuzahlen müssten. Wenn er das zurückfaxen würde, ginge das mit den längeren Aufenthalten um 3 Stunden in Ordnung. Kein einziger Reisender hatte dagegen protestiert - im Gegenteil - und so sammelte der Reiseführer das Geld ein und zahlte es in Kirow per Blitzüberweisung an die Reisegesellschaft in Moskau ein. Ab jenem Tag konnten wir alle bestimmen, wie lange der Sonderzug an den Bahnhöfen zu stehen hatte.

Die Stadt Kirow liegt an der Transsibirischen Eisenbahn und am schiffbaren Fluss Wjatka (Nebenfluss der Kama und damit im Einzugsbereich der Wolga). Kirow ist knapp 900 km östlich von Moskau sowie 22 km westlich von der benachbarten Stadt Kirowo-Tschepezk gelegen. Kirow wurde erstmals, wie aus Archiven der Stadt hervorgeht, urkundlich im Jahre 1374 erwähnt. Die Stadt wurde ursprünglich als Außenposten namens Chlynow während der Feldzüge von Nischni Nowgoroder Siedlern gegen Städte der Goldenen Horde gegründet. Stadthistoriker gehen davon aus, dass die Gründung bereits Ende des 12. Jahrhunderts erfolgte. Wie es für russische Grenzortschaften der damaligen Zeit üblich war, entstand in Chlynow eine Festung nach Art eines altrussischen Kremls mit einer etwa zwei Meter hohen Umfriedungsmauer.

In Kirow am Springbrunnen. Es war ein wunderschöner sonniger Tag.

Im 14. und 15. Jahrhundert stellte das Gebiet am Fluss Wjatka, von dem auch Chlynow später seinen noch bis 1934 gültigen Namen erhielt, ein politisch vergleichsweise autonomes Gebilde im Besitz des Nischni Nowgoroder Fürstentums dar. Nach einem Feldzug von Truppen des Moskauer Großfürsten Iwan III. im Jahr 1489 kam Chlynow endgültig an das Großfürstentum Moskau. Noch bis Mitte des 16. Jahrhunderts, als Moskowien Reste der ehemaligen Goldenen Horde (darunter das nahe gelegene Khanat Kasan) eroberte, stellte Chlynow einen wichtigen Grenzposten dar. Zugleich entwickelten sich dort Handwerke sowie Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen. (All das wurde uns von einem kundigen Fremdenführer in Kirow erzählt). Natürlich interessierte uns die Geschichte der Stadt, aber mehr noch die historischen Gebäude und sonstigen Bauten vergangener Zeiten.

Das Sergej Mironowitsch Denkmal in Kirow.

Sergej Mironowitsch Kirow (Denkmal oben) erwies sich als ein Hardliner und großer Anhänger Stalins. Er hatte einen großen Anteil an der Zerschlagung der sowjetischen Akademie der Wissenschaften Anfang der 1930er Jahre, die sich damals in Leningrad befand. Unter seiner tatkräftigen Leitung wurde der Bau des Weißmeer-Ostsee-Kanals vorangetrieben, wobei er für die verstärkte Einsetzung von Gefangenen eintrat, die unter unmenschlichen Bedingungen zu Tausenden bei diesem Vorhaben starben. In den 1930er Jahren wurde Kirow zunehmend populärer, sowohl bei den Parteigenossen als auch beim Volk. Es wird häufig behauptet, dass zwischen Kirow und Stalin während des 17. Parteitages oder kurz danach Spannungen aufgetreten seien. Während des Parteitages hatte Kirow Stalin jedoch als "den größten Strategen der Bewegung zur Befreiung von Werktätigen" und als "den besten Steuermann unseres großen sozialistischen Landes" bezeichnet.

Am 1. Dezember 1934 wurde Kirow von Leonid Nikolajew in Leningrad erschossen. Die Hintergründe des Attentats konnten nicht zweifelsfrei geklärt werden. Aufgrund des offensichtlichen Nutzens, den Stalin für die Entfachung des Großen Terrors aus dem Mord gezogen hatte, gibt es immer wieder Vermutungen, er habe den Mord in Auftrag gegeben. Dafür haben sich allerdings nie Beweise finden lassen. Ebenso möglich erscheint daher die Tat eines frustrierten Einzelnen. Nach dem Tod Kirows wurde seine Urne an der Kremlmauer in Moskau beigesetzt. 1934 wurde nach Kirow die Stadt Wjatka in Kirow umbenannt und ihm zu Ehren ein Denkmal gesetzt.

Wir am Kirow Platz.

Im 17. Jahrhundert wurde Chlynow darüber hinaus erstmals als Verbannungsort für in Ungnade gefallene Adlige und später für unliebsame politische Aktivisten genutzt. Diese Funktion behielt es noch bis ins frühe 20. Jahrhundert hinein. 1781 wurde die Stadt, die bereits Ende des 17. Jahrhunderts als der größte Ort im Nordosten des europäischen Teils Russlands galt, offiziell in Wjatka umbenannt. 1796 wurde das Gouvernement Wjatka gebildet, auf dessen Basis im 20. Jahrhundert die heutige Oblast Kirow entstand.

Wir auf dem Rückweg ins Stadtzentrum. My Lady waren etwas schneller als ich.

Im Verlauf des Russischen Bürgerkrieges in den 1920er-Jahren kam es in Wjatka zu schweren Zerstörungen, da das Gouvernement aufgrund seiner verkehrstechnisch günstigen Lage an wichtigen Eisenbahnlinien stark umkämpft war. Am 7. Dezember 1934 erhielt die Stadt ihren jetzigen Namen nach dem ermordeten Staatsmann Sergei Kirow, der aus der Stadt Urschum im Gouvernement Wjatka stammte. Zwei Jahre später wurde aus den ehemaligen Territorien des Gouvernements unter Ausgliederung Udmurtiens die Oblast Kirow gebildet.

Vor dem Kirow Mariinsky Theater.

Das Mariinski-Theater ist eines der bekanntesten Opern- und Balletthäuser der Welt. Das Gebäude liegt am Sankt Petersburger Theaterplatz. Viele wichtige russische Opern und Ballette wurden hier uraufgeführt. Es ist die Heimat des bei Auslandsauftritten immer noch gern so genannten Kirow-Balletts. Das Ballett trägt inzwischen auch den offiziellen Namen Ballett-Kompagnie des Mariinski-Theaters. Das 1860 von Alberto Cavos errichtete Gebäude wurde ursprünglich nach Maria Alexandrowna von Hessen-Darmstadt, der Frau Zar Alexanders II., benannt. 1919 erhielt es zunächst den Namen GATOB zu deutsch "Staatliches Akademisches Opern- und Balletttheater" und wurde 1935 nach dem 1934 ermordeten Vorsitzenden des Leningrader Sowjets, Sergei Kirow, in Kirow-Theater umbenannt. Seit 1992 trägt es wieder seinen ursprünglichen Namen. Das Gebäude fasst 2000 Zuschauer. Der Zuschauersaal ist reich in Blau, Weiß und Gold geschmückt.

Am Holidaycenter in Kirow.
Am Holidaycenter in Kirow
Auf dem Rückweg vom Holidaycenter.

Leider gab es keine Beschreibung über den Freizeitpark in Kirow und dessen Gründer. Dennoch: es war ein Vergnügen besonderer Art ihn besucht zu haben. Langsam wurde es aber Zeit an den Bahnhof zurückzukehren.

Unterwegs durch zahllose Kurven in Richtung Nischni-Nowgorod.

Nischni Nowgorod, 1932 bis 1990 Gorki, ist mit 1.272.527 Einwohnern die fünftgrößte Stadt Russlands. Sie liegt an der Einmündung der Oka in die Wolga und ist die Hauptstadt der Oblast Nischni Nowgorod sowie des Föderationskreises Wolga. Um 1850 entwickelte sie sich zur Drehscheibe des russischen Handels und später zu einer Industrie-Metropole.

Vor dem Moskauer Bahnhof in Nischni-Nowgorod.

Die Stadt wurde 1221 von Juri II. Wsewolodowitsch, dem Großfürsten von Wladimir, am Zusammenfluss der beiden wichtigsten Flüsse seines Reiches, der Wolga und der Oka, gegründet. Die wörtliche Übersetzung von Nischni Nowgorod lautet "Untere Neustadt". Möglicherweise gab man ihr diesen Namen zur Unterscheidung vom älteren Nowgorod. Wie auch Moskau und Twer, gehörte Nischni Nowgorod zu jenen neugegründeten Städten, die aufgrund ihrer damaligen Bedeutungslosigkeit der Verwüstung durch die Mongolen entgingen, sich dann aber in der Zeit des "Tatarenjochs" (Herrschaft der Goldenen Horde vom 13.–15. Jahrhundert) zu wichtigen politischen Zentren entwickelten. Die Bedeutung von Nischni Nowgorod nahm weiter zu, nachdem es im Jahre 1350 zur Hauptstadt des Fürstentums Susdal erklärt worden war. Der Großfürst Dmitri Konstantinowitsch (1328-1383) war bemüht, die Hauptstadt seines Reiches zu einem ebenbürtigen Rivalen Moskaus zu machen: Er ließ eine steinerne Festung und mehrere Kirchen bauen und machte sich um die Geschichtsschreibung verdient. Die älteste erhaltene Abschrift der berühmten Nestorchronik wurde im Jahr 1377 in seinem Auftrag von dem Mönch Lawrenti erstellt.

In Nischni Novgorod am Gorkisquare.
Flanieren über die Einkaufsstrasse Nischni Nowgorods.

Nischni Nowgorod von 1932 bis 1990 Gorki, ist mit 1.272.527 Einwohnern (Stand: 2009) die fünftgrößte Stadt Russlands.

Südlich der Altstadt befindet sich der Park "Nischni Nowgoroder Schweiz". Dieser dient den Bewohnern der Stadt als Erholungsgebiet, welchen wir zu besuchen leider keine Zeit mehr hatten, da wir noch andere Sehenswürdigkeiten besuchen und in die Kamera als Erinnerung aufnehmen wollten.

Nischni Novgorod Sverdlov Monument von 1468. Nischni Novgorod ein anderes Monument.
Am Nischni Nowgorod Kreml.

Der Nischni Nowgoroder Kreml ist das historische Zentrum der Stadt. Der Bau begann 1501 mit dem Iwanowskaja-Turm. 1508 folgten weitere Baumaßnahmen, die 1515 abgeschlossen wurden. Der Komplex umfasst 13 Türme, fünf davon mit Toren und einem quadratischen Grundriss, acht mit runder Form. Die Türme sind zwischen 18 und 30 Meter hoch und durch bis zu fünf Meter dicke, 12 bis 20 Meter lange Mauern verbunden. Auf dem Gelände des Kremls befindet sich die Erzengel-Michael-Kathedrale, errichtet in den Jahren zwischen 1628 und 1631 von Lawrenti Wosoulin und A. Konstantinow.

Links: Auf dem Weg zurück in die Stadt. Rechts: Nein, die Strassenbahn nahmen wir nicht. Wir liefen die paar Meter zum Bahnhof.

Markt hinter dem Bahnhof
Auf dem Markt hinter dem Bahnhof.
Und weiter ging es in Richtung Perm.

Eine feinsinnige Spielerei gewitzter Bürokraten ermöglicht es, in kurzer Zeit eine ganze Zeitzone zu durchqueren. Danach gilt: Moskauer Ortszeit plus 2 Stunden.

  Nach Perm