Die Sixtinische Kapelle im Petersdom.
Der Weg des christlichen Glaubens

Während die 12 Apostel in schlichter Kleidung - ohne Bezahlung - das Christentum in alle Welt verbreiteten und den Märtyrertod in Kauf nahmen, brauchen sich ihre Nachfolger - in prunkvollem Ornat - keine Gedanken über einen Märtyerertod zu machen - und auch keine wegen ihrer Bezahlung.

Das Christentum hat seinen historischen Ursprung in Jesus von Nazareth. Die ersten Anhänger dieses Jesus erlebten, wie er als Prediger und Lehrer durch Palästina wanderte, wie er Kranke heilte und Wunder wirkte, wie er sich mit den konservativen religiösen und politischen Mächten seines Landes überwarf, wie er schließlich gekreuzigt wurde und von den Toten auferstand. Und sie verkündeten, dass Jesus vielen von ihnen in einem auferstandenen und verklärten Leib erschienen sei. Schon 40 Tage nach der Kreuzigung Jesu hatte sich die verzweifelnde und zunächst auseinanderlaufende Schar von enttäuschten Träumern in eine Gemeinschaft von Eiferern verwandelt, die bereit war koste es, was es wolle -, diesen auferstandenen Jesus von Nazareth als den von Gott verheißenen Messias (griechisch Chrestos, lateinisch Christus) zu bekennen.

Die christliche Religion gründet sich auf die Tatsache, daß der Gottessohn Jesus von den Toten auferstanden ist. Aus der Schar der zwölf Jünger Jesu - durch den Verrat des Judas Ischariot war sie auf elf vermindert - ragt einer mit Namen Simon Kephas hervor. Nach dem griechischen Wort petros, das dem aramäischen Kephas entsprechend Fels bedeutet, nannte man ihn bald Petrus. Das 16. Kapitel des Matthäusevangeliums berichtet von einem Wortspiel Jesu, das die Bedeutung des Namens in ein besonderes Licht rückt: "Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Gemeinde bauen. Und ich will dir des Himmelreichs Schlüssel geben. . ."

Über die anderen Apostel, wie die Schar der Jünger Jesu schon bald genannt wurde, wissen wir wenig. Aber Petrus starrköpfig, voller menschlicher Schwächen und von heftigem Temperament, durch seine Umgebung oder das Wort anderer leicht beeinflußbar, nach einem schrecklichen Erlebnis während der Verurteilung Jesu aber unerschütterlich tapfer -, dieser Petrus ist unvergeßlich. In den Evangelien ist Petrus der erste, der Jesus als Messias bekennt. Und als fünfzig Tage nach der Auferstehung Jesu der Geist Gottes über die Anhänger des neuen Glaubens kommt und sie den ersten Versuch unternehmen, an die Öffentlichkeit zu treten, ist es Petrus, der die Predigt hält - es sind die ersten Pfingsten. In den folgenden Jahren predigt und lehrt Petrus an unzähligen Orten, bis er schließlich auf unbekannte Weise nach Rom gelangt, wo er wohl im Jahre 65 unter Nero den Märtyrertod erlitten hat. Über seinem Grab wölbt sich der Petersdom.

Über dem Grab Petrus erhebt sich der Petersdom.
Paulus -zu jener Zeit aber noch Saulus, nahm sogar an der Steinigung des Stephanus, des ersten christlichen Märtyrers teil.

Neben Petrus steht in diesem ersten entscheidenden Jahrhundert des Christentums eine zweite außergewöhnliche Gestalt: Paulus. Geboren war er als Saulus in Tarsus, einer Stadt im Süden der heutigen Türkei. Er war Pharisäer, aber mit der hellenistischen Umwelt des Judentums der Diaspora vertraut. Als junger Mann kam er nach Jerusalem, um dort unter dem berühmten Rabbi Gamaliel seine Ausbildung im Talmud zu vollenden. Bald war er einer der eifrigsten Unterdrücker der neuen Lehre; er nahm sogar an der Steinigung des Stephanus, des ersten christlichen Märtyrers, teil. Im Jahre 35 aber hatte er auf dem Wege nach Damaskus - er wollte die dortige Christengemeinde unterdrücken - das erschütternde Erlebnis, das aus dem Saulus den Apostel Paulus werden ließ. Und dieser Paulus wurde bald der große Heidenmissionar, der die Botschaft Jesu in die antike Welt trug. Er reiste von einer Stadt des Römischen Imperiums zur anderen, bis er fast in ganz Kleinasien, Griechenland und auf verschiedenen Inseln des MitteImeeres gewesen war, wo er überall unerschrocken für den neuen Glauben eintrat. Der Überlieferung zufolge wurde er um 65 in Rom enthauptet und dort begraben, wo sich heute San Paolo fuori le Mura erhebt. Petrus und Paulus verkörpern zwei Linien des Christentums, die es für immer prägen sollten: Institution und Theologie, Kirche und Lehre entwickeln sich als legitimer Ausdruck der christlichen Religion. Dabei muss die Institution an die erste Stelle treten, da die Theologie aus ihr entspringt und nicht umgekehrt.

Jesus ist der von Gott gesandte Messias, der von seinem Volke verworfen wurde; seine Auferstehung aber ist die Bestätigung durch Gott. Bald würde er wiederkehren und alle, die ihn als Herrn anerkennen und auf seinen Namen getauft sind, in die Herrlichkeit des ewigen Heils führen.

Anders dagegen Paulus. Er war kein einfacher galiläischer Fischer wie Petrus, der den Herrn noch selbst gekannt hatte. Paulus war römischer Bürger und geprägt von der griechisch-römischen Kultur. Als unermüdlicher Gründer neuer christlicher Gemeinden musste er sich mit allen möglichen Auslegungen des Glaubens auseinandersetzen. So schrieb er Brief auf Brief, um Glauben und Lehre - und häufig auch praktisches Verhalten - dieser Gemeinden in der rechten Bahn zu halten. Diese Paulinischen Briefe haben den Glauben der Urchristenheit in feste gedankliche Bahnen gebracht; mit seinem Nachdenken über den Sinn vom Leben und Sterben Jesu Christi hat Paulus die christliche Theologie begründet.

Nach dem Märtyrertod von Petrus und Paulus verbreitete sich die christliche Kirche durch 250 Jahre über die Welt des Mittelmeeres. Dabei fehlte es nicht an inneren Krisen. Die Gnosis und die Irrlehre des Montanismus machten der jungen Kirche schwer zu schaffen; neben den heidenchristlichen Gemeinden gab es in Transjordanien ein weiterentwickeltes Judenchristentum, das von der Lehre abwich, wie sie Paulus verkündet hatte. Aber die Bedingungen für die Ausbreitung der christlichen Kirche waren günstig: "Ein Imperium, eine Weltsprache, ein Verkehrsnetz, eine Kultur, eine gemeinsame Entwicklung zum Monotheismus und eine gemeinsame Sehnsucht nach Heilanden". Im Jahre 287 wurde das Christentum erstmalig Staatsreligion in Armenien.

  Kaiser Titus zerstört Jerusalem  
Jerusalem und der Tempel zu Jesus Zeiten, bevor er von Kaiser Titus zerstört wurde.

Titus (* 30. Dezember 39 in Rom; † 13. September 81 in Aquae Cutiliae) war als Nachfolger seines Vaters Vespasian römischer Kaiser vom 24. Juni 79 bis zu seinem Tod. Sein vollständiger Geburtsname war – wie bei seinem Vater – Titus Flavius Vespasianus; als Kaiser führte er den Namen Imperator Titus Caesar divi Vespasiani filius Vespasianus Augustus. Titus wurde am Hof des Kaisers Claudius gemeinsam mit dessen Sohn Britannicus erzogen. Im Jüdischen Krieg leitete er die Belagerung Jerusalems, als Caesar unterstützte er die Regierungsarbeit Vespasians. Während seiner Herrschaft brach im Jahr 79 der Vesuv aus. Titus leitete die Hilfsmaßnahmen nach dieser Katastrophe, ebenso im darauf folgenden Jahr nach einem Brand der Stadt Rom. Er vollendete das Kolosseum und wurde bereits von Zeitgenossen wegen seiner Milde gerühmt.

Links: Der Ausbruch des Vesuv 79 n. Christus unter der Regierungszeit Kaiser Titus. Rechts: Ein Jahr später brennt die Hauptstadt der Römischen Imperiums - ebenfalls unter Kaiser Tius.

  Es beginnt die Zeit der Christenverfolgung

Kaiser Nero, der grosse Christenverfolger. Er ließ Rom in Brand setzen und schob die Brandstiftung auf die Christen.

Petrus stirbt als Märtyrer und erleidet mit dem Kopf nach unten den Kreuzestod.
Von Pfeilen durchbohrt starben sie den Märtyrertod für ihren Glauben.
Christen erleiden den Märtyrertod zur Belustigung des Kaisers und des römischen Volkes.

Seine Ausbreitung in Ost und West konnten auch die Zeiten staatlicher Unter- drückung und blutiger Verfolgung - zeit- weilig wurde das Christentum zur Untergrundbewegung - nicht mehr aufhalten. Zwischen dem 2. und dem 5. Jahrhundert bildete sich unter heißen Kämpfen die Dogmatik der christlichen Kirche aus. Ebenso zeichnete sich langsam die Art und Weise ab, wie die christlichen Gemeinden regiert werden sollten. Gerade über diese Frage haben unzählige Männer der Kirche lange diskutiert, und im Grunde tun sie dies heute noch. Man hat oft die Geschichte des Christentums von der Zeit der Flucht der ersten christlichen Gemeinde aus Jerusalem, kurz vor der Zerstörung der Stadt durch Titus im Jahre 70, bis zur Mitte des 2. Jahrhunderts mit einem "Sprung in einen Tunnel" verglichen. Am Ende dieser Zeit jedenfalls ist eine voll ausgeprägte Institution vorhanden - mit Diözesen, Bischöfen, Priestern, Sakramenten -, und daneben steht eine ausgeprägte, hochentwickelte Theologie.

Unter Kaiser Konstantin (306-337) errang die christliche Kirche auch nach außen hin den Sieg.

Was allerdings im "Tunnel" selbst vorgegangen ist, davon wissen wir wenig... Im Jahre 303 setzte die letzte, ungewöhnlich heftige Christenverfolgung ein; zwei Jahre später mußte Kaiser Diokletian das Vergebliche seines Tuns einsehen, und er dankte ab. Unter Kaiser Konstantin (306-337) errang die christliche Kirche auch nach außen hin den Sieg. Vor der entscheidenden Schlacht gegen seinen Nebenbuhler Maxentius an der Milvischen Brücke bei Rom soll Konstantin die Vision eines Kreuzes gehabt haben, bei dem die Worte standen: "In hoc signo vinces" - In diesem Zeichen wirst du siegen, und er siegte unter dem Zeichen Christi.

Vor der entscheidenden Schlacht gegen seinen Nebenbuhler Maxentius an der Milvischen Brücke bei Rom soll Konstantin die Vision eines Kreuzes gehabt haben, bei dem die Worte standen: In hoc signo vinces - In diesem Zeichen wirst du siegen. Und er siegte unter dem Zeichen Christi.

Ob Kaiser Konstantin damals bereits überzeugter Christ war, ist fraglich. Im Laufe seines Lebens dürfte er dem Christentum immer nähergekommen sein; aber erst auf seinem Sterbebett ließ er sich taufen. Politische Erwägungen jedoch ließen ihn im Christentum das zusammenfassende Band sehen, das er für sein auseinanderstrebendes Reich so dringend benötigte. Durch das Edikt von Mailand gewährte er im Jahre 313 den Christen völlige Duldung, und in seiner neuen Hauptstadt Konstantinopel wurde er der große Beschützer der Kirche. 42 Jahre nach seinem Tode machte dann Kaiser Theodosius der Große das Christentum zur Staatsreligion. Konstantin mag sich später gefragt haben, ob das Christentum wirklich jene einigende Macht seines Reiches war, für die er es gehalten hatte, denn von allen Teilen des Imperiums kamen Berichte über innere Streitigkeiten der Kirche. Besonders die Frage nach der Gottheit Christi bewegte die Gemüter:

In seiner neuen Hauptstadt Konstantinopel wurde Konstantin der große Beschützer der Kirche.

War Christus dem Wesen Gottes nur ähnlich - so behauptete es der Presbyter Arius aus Alexandrien - oder war er dem Wesen Gottes gleich, wie es der Bischof Athanasius lehrte? Die Ähnlichkeit der beiden griechischen Begriffe, die im Mittelpunkt dieses Streites standen (homoousios und homoiousios) hat spätere Generationen oft zur Bemerkung veranlaßt, daß sich die Christen über ein Jahrhundert lang um einen Buchstaben gestritten hätten. Trotzdem kann man die Bedeutung gerade dieses Buchstabens kaum überschätzen. Kaiser Konstantin verstand zwar nur wenig von dem subtilen Streit der Theologen, hatte aber an einer sich in inneren Kämpfen verzehrenden Kirche kein Interesse. So rief er im Jahre 325 die Bischöfe zu einer Synode nach Nicäa. Er selbst hatte den Vorsitz des Konzils inne, das oft mehr einer politischen Versammlung glich als einer Kirchensynode. Schließlich wurde Arius verurteilt und die Lehre von der Gottgleichheit Christi, die im Nicänischen Glaubensbekenntnis ihren Niederschlag fand, formuliert.

Kaiser Konstantin rief im Jahre 325 die Bischöfe zu einer Synode nach Nicäa. Er selbst hatte den Vorsitz des Konzils inne, das oft mehr einer politischen Versammlung glich als einer Kirchensynode.