Benedikt von Nursia gründete an der Stelle einer früheren römischen Befestigungsanlage (Municipium von Casium) das erste Kloster des nach ihm benannten Benediktinerordens im Jahr 529, welcher vor allen anderen das Christentum in Europa verbreitete. Die Gebeine Benedikts von Nursia liegen in der von gewaltigen Mauern geschützten Krypta begraben. Nach der Zerstörung des Klosters durch die Langobarden im Jahre 577 erhielt Petronax von Brescia im Jahr 717 durch Papst Gregor II. den Auftrag zum Wiederaufbau des Klosters."

  Benedikt von Nursia   

Gewisse asketische Übertreibungen, wie sie im Auftreten der Säulenheiligen sichtbar geworden waren, wurden von Benedikt von Nursia um 550 ausgeschieden, der in dem 529 gegründeten Kloster Monte Cassino in Kompanien die Regula Benedicti verfasste.

Das noch keinesfalls voll überwundene Heidentum suchte sich im Innern der Kirche neue Ausdrucksmöglichkeiten, die sich als sogenannter Volksglaube durch die Jahrhunderte erhalten haben, wie etwa der Reliquienkult oder die Bittgänge, einst zu Ehren der antiken Götter, jetzt in Verehrung des biblischen Gottes und der Heiligen. Die große Masse der Neuchristen war nun auch nicht mehr bereit, um der Glaubenstreue willen das Martyrium auf sich zu nehmen. Für die wenigen aber, die bereit waren, zuinnerst Christen zu sein, wurden die sittlichen Forderungen verschärft. Dies hat zur Entstehung des Mönchtums geführt. Das erste christliche Kloster ist von Pachomius zwischen 314 und 317 am östlichen Nilufer gegründet worden. Für die Ostkirche hat dann Basilius der Große (gestorben 379) erheblichen Einfluß gewonnen, der die klösterliche Gemeinschaft als Abbild des wahren leibes Christi verkündigte.

Gewisse asketische Obertreibungen, wie sie im Auftreten der Säulenheiligen sichtbar geworden waren, wurden von Benedikt von Nursia um 550 ausgeschieden, der in dem 529 gegründeten Kloster Monte Cassino in Kompanien die Regula Benedicti verfaßte. Die Benediktinerregel verpflichtet zur Stetigkeit des Ortes im Gegensatz zum wandernden Mönchtum, zum Eigentumsverzicht, zum Gelübde der Keuschheit und des Gehorsams. Der Wert der Arbeit wurde im Benediktinerorden noch höher geschätzt als die Askese; mit seiner Regel und seinem "Ora et la bora - Bete und arbeite" ist Benedikt zum Erzieher des europäischen Mönchtums geworden. Benedikts Regel verdankt ihre Ausbreitung vor allem Papst Gregor dem Großen (540-604); vom 8. bis 12. Jahrhundert ist sie im Abendland die herrschende Mönchsregel gewesen.

Links: Mit seiner Regel und seinem -Ora et labora - Bete und arbeite - ist Benedikt zum Erzieher des europäischen Mönchtums geworden. Rechts: Benedikts Regel verdankt ihre Ausbreitung vor allem Papst Gregor dem Großen (540-604)

Aus der vorangegangenen Zeit der frühen schichte ragen noch einige besonders große Namen hervor: Hieronymus, der um 400 die Bibel aus dem Hebräischen und Griechischen ins lateinische übersetzte; diese "Vulgata" ist noch heute die Bibel der Römisch-Katholischen Kirche. Dann Ambrosius von Mailand, 397 gestorben, der Vater des Kirchenliedes; Leo 1., der um 450 Rom vor Hunnen und Vandalen schützte und "der erste überragende Vertreter des Papsttums war, das er als universales Episkopat mit der Majestät des alten Rom erfüllte". Der größte der Kirchenväter aber stammt aus der heute vergessenen Hafenstadt Hippo in Nordafrika: Augustinus. Sein Einfluß hat in der christlichen Theologie bis heute gewirkt. Zwei seiner Bücher, die Bekenntnisse und der Gottesstaat, gehören zu den klassischen Werken der Weltliteratur, entstanden in einer Zeit des Niederganges der Kultur des Altertums. Das eine ist eine Autobiographie, das andere eine christliche Geschichtsphilosophie. "Der von Augustin mit leidenschaftlichem Interesse verfolgte Kampf der beiden Seelen in seiner Brust ist auch der Ausgangspunkt seiner Deutung der Weltgeschichte als Heilsgeschichte, wie sie das zweite Hauptwerk, die Civitas Dei, entwickelt. Vom Weltbeginn bis zu ihrem Ende als Gericht und Scheidung von Himmel und Hölle ist alle Geschichte das Ringen der zwei ,Staaten': Jerusalem und Babylon, deren unaufhebbarer Gegensatz durch alles hindurchgeht: Lichtreich und Nachtreich, Ewigkeit und Zeitlichkeit, Kirche und weltlicher Staat (Hans Urs von Balthasar). Augustinus starb im Jahre 430. Kaum 25 Jahre später plünderten die Vandalen Rom. 200 Jahre später waren Hippo und die übrigen christlichen Bistümer Nordafrikas von der islamischen Flut überrollt. Doch damals war Rom längst die Hauptstadt der Christenheit.

Links: Der Hunnenkönig Atilla stellt dem Kaiser von Rom ein Ultimatum. Rechts: Ambrosius von Mailand, 397 gestorben, der Vater des Kirchenliedes: Leo 1., der um 450 Rom vor Hunnen und Vandalen schützte und der erste überragende Vertreter des Papsttums war, das er als universales Episkopat mit der Majestät des alten Rom erfüllte.

Die Kirche der Urchristenheit hatte aus einer Anzahl brüderlich verbundener Einzelgemeinden bestanden, an ihrer Spitze Episkopen (Aufseher, Bischöfe), die den Gläubigen als Nachfolger der Apostel galten. Die vom Kollegium der Bischöfe regierte Kirche erhob den Anspruch, die alleinseligmachende zu sein. Der Märtyrerbischof Cyprian (gest. 258) formulierte die Sätze: "Außerhalb der Kirche gibt es kein Heil", und "Es kann Gott nicht zum Vater haben, wer die Kirche nicht zur Mutter hat". Die römischen Bischöfe Calixtus (217-222) und Stephan I. (254-257 haben als erste den römischen Primatanspruch erhoben: Der Bischof von Rom als der direkte Nachfolger des heiligen Petrus sei höchste Autorität der Kirche in Sachen des Glaubens, der Sittlichkeit und der kirchlichen Verwaltung.

Stephan I., auch der Heilige Stephan, († 2. August 257) war Bischof von Rom vom 12. Mai 254 bis zu seinem Tode. Er entstammte aus dem römischen Julier-Geschlecht. Sein Name bedeutet: die Krone. Die Amtszeit Stephans stellt – zwischen der Verfolgung des Decius und des Valerian – eine relative Friedenszeit für die Kirche dar. Stephan starb vor dem eigentlichen Ausbruch der valerianischen Verfolgung. Dass er den Märtyrertod erlitt, ist eine Legende; im römischen Kalender von 354 wird er nicht im Verzeichnis der Märtyrer genannt, sondern in dem der verstorbenen Bischöfe. Sein Gedenktag ist der 2. August.

Sie stießen freilich noch auf heftigen Widerstand. Aber in der Folgezeit haben sich die
Bischöfe von Rom tatsächlich eine Vorrangstellung gesichert, die sich noch weiter verstärkte, als Konstantinopel zur Residenz der Kaiser wurde und sich damit die Bedeutung Roms als Erbe der Cäsaren hob. Auch erschien der römische Bischof, je mehr im Osten die Kirche vom Staat abhängig wurde, als Hort kirchlicher Unabhängigkeit. So gelangten die Bischöfe von Rom zu jener überragenden Stellung, die schließlich zum Papsttum führte. Als Konstantinopel Rom den Vorrang verweigerte und sich gleichzeitig gegen einige Lehrmeinungen Roms stellte, kam es im Jahre 1054 zur Trennung, zum Schisma zwischen der Römisch-Katholischen und der Orthodoxen Kirche.

  Das Abendländische Schisma 
Links: Eine römisch katholische Kirche. Rechts: Eine griechisch orthodoxe Kirche
Die Missionstätigkeit des Bonifatius

Der Zerfall des Römischen Reiches hatte die stete Ausbreitung des Christentums nicht weiter behindert. Viele der Goten, die Rom und das westliche Reich eroberten, waren Christen. Allerdings waren sie Arianer und damit, von der Großkirche her geurteilt, Häretiker: Ketzer. Der große Bischof Wulfila (310-383) und seine Nachfolger hatten sie zum Christentum bekehrt; Wulfila, ein glänzender Zeuge für die innige Verbindung von Christentum und Wissenschaft in jener Zeit, war mit seiner Bibelübersetzung zum Begründer der gotischen Schriftsprache geworden und hatte mit ihr das erste germanische Literaturdenkmal geschaffen. Als das Ostgotenreich 555 unterging, war auch das Schicksal des Arianismus besiegelt. Man hat gesagt, kein Wunder der Bibel erreiche an Unwahrscheinlichkeit jenes Wunder, daß die kriegerischen Völker Europas sich Jesus von Nazareth als ihrem Gott unterwarfen. Freilich bedeuteten Massenbekehrungen ganzer Stämme durch kühne Missionare noch keine wirkliche innere Annahme des Christentums, und noch lange lebte neben dem christlichen Glauben das alte heidnische Brauchtum weiter.

Um die dort lebenden, zum Großteil noch nicht zum Christentum bekehrten Chatten zu überzeugen, suchte Bonifatius die Ohnmacht der altgermanischen Götter zu beweisen. Er ließ 723 unter dem Schutz fränkischer Soldaten und in Gegenwart zahlreicher Chatten die uralte Eiche in der Sakrallandschaft Mattium fällen, die eines der wichtigsten germanischen Heiligtümer war. Die Christianisierung der Germanen hat immerhin 800 Jahre gedauert; noch im 12. Jahrhundert gab es in Schweden offenes Heidentum. Die Bekehrung des Frankenkönigs Chlodyvig im Jahre 496 - in ihren Motiven ebenso undurchsichtig wie der entsprechende Schritt Konstantins - brachte jedoch nicht nur den Sieg des katholischen Christentums, sondern legte auch den Grundstein für das heutige Abendland.

König Heinrich IV. (Bild unten links) ließ auf einer Synode deutscher Bischöfe den Papst absetzen, dieser wiederum sprach Heinrich die Königswürde ab und belegte ihn mit dem Bann.

Drei Jahrhunderte des hohen Mittelalters sind gekennzeichnet durch den erbitterten Kampf zwischen Kaisertum und Papsttum
um die Vormachtstellung. Der Streit um die Investitur, um das Recht zur Einsetzung der Bischöfe durch einen weltlichen Herrscher, und um die Befreiung der Kirche von jeder weltlichen Macht, brachte mit der Auseinandersetzung zwischen dem bedeutenden Papst Gregor VII. und König Heinrich IV. den Höhepunkt. Der König ließ auf einer Synode deutscher Bischöfe den Papst absetzen, dieser wiederum sprach Heinrich die Königswürde ab und belegte ihn mit dem Bann. Deutschland wandte sich von Heinrich ab; im Januar 1077 stand er drei Tage lang barfuß im Büßergewand vor der Burg Canossa, um von dem dort weilenden Papst die Lösung des Bannes zu erreichen.

In der Neuzeit hat man diese Demütigung des Königs oft überbetont; Heinrich eroberte später Rom, der Papst starb im Exil, und Heinrich hatte kein einziges Recht des deutschen Kaisers aufgegeben. Das Konkordat von Worms 1122 hat dann die Befugnisse bei der Wahl und Investitur der Bischöfe grundsätzlich geregelt. Bischofsring und Hirtenstab als die Symbole geistlicher Macht verlieh allein der Papst, das Szepter aber als Zeichen weltlicher Macht der Kaiser.

  König Heinrichs Gang nach Canossa
König Heinrich IV. macht vor Papst Gregor VII. einen Kniefall, worauf dieser ihn vom Kirchenbann freispricht.

Anfangs des 13. Jahrhunderts war jedoch die Vorherrschaft des Papstes so gefestigt, dass Innozenz III. - vielleicht der größte aller Päpste - die Thronstreitigkeiten in Deutschland nach seinem Willen entschied. Und die Könige von England, Portugal, Bulgarien nahmen von ihm Land und Krone als Lehen. Das war die gleiche Zeit, da Jerusalem, das zeitweise christliches Königtum gewesen war, in die Hände der Heiden fiel. 637 war es vom Kalifen Omar dem Weltreich des Islam eingegliedert worden. Die Eroberung Palästinas durch die Mohammedaner hatte auch die frommen Wallfahrten christlicher Pilger zu den Heiligen Stätten immer schwieriger gemacht. So wurde die Christenheit Europas von dem Gedanken eines Kreuzzuges erfasst: Das Heilige Land sollte aus der Hand der Ungläubigen befreit werden. Papst Urban II. rief 1095 die Christen zum Kampfe auf. Mit einem Kreuz auf dem Mantel und dem Ruf "Gott will es!" auf den Lippen zog die abendländische Ritterschaft gegen den Feind. Vier Jahre später wurde Jerusalem erobert und Gottfried von Bouillon zum "Beschützer des Heiligen Grabes" erklärt. Das Königreich Jerusalem entstand, das fast ein ganzes Jahrhundert lang bestanden hat.

Das Heilige Land sollte aus der Hand der Ungläubigen befreit werden. Papst Urban II. rief 1095 die Christen zum Kampfe auf. Mit einem Kreuz auf dem Mantel und dem Ruf Gott will es! auf den Lippen zog die abendländische Ritterschaft gegen den Feind.

Dieser erste Kreuzzug war vor allem wegen innerer Uneinigkeit der Moslems erfolgreich gewesen. Als aber der Islam seine ganze Macht ins Feld führen konnte, wurden die in Kleinasien entstandenen christlichen Reiche bald ausgelöscht; daran konnten auch die zahlreichen weiteren Kreuzzüge nichts ändern. 1244 fiel Jerusalem wieder an die Mohammedaner, und abermals zwei Jahrhunderte später, im Jahre 1453, eroberten die Türken Konstantinopel, die Hauptstadt Ostroms. So wenig äußerlichen Erfolg die Kreuzzüge gehabt hatten - ihre Rückwirkungen auf das Abendland waren bedeutungsvoll. Die Welt war größer geworden, man war Angehörigen fremder Religionen begegnet, die durch ihre hohe Lebensauffassung Respekt erheischten und den Anspruch der Christentums auf Alleingültigkeit erstmals fragwürdig erscheinen ließen. Auch kulturell und wirtschaftlich waren die Folgen der Kreuzzüge unübersehbar.

Bernhard von Clairvaux (1090-1153), Vertreter einer stark gefühlsmäßigen Jesusliebe, versenkte sich inniglich in die Betrachtung des sterbenden Erlösers - das ergreifende Passionslied O Haupt voll Blut und Wunden stammt in seiner lateinischen Vorlage aus einem von Bernhard beeinflußten Kreis - und wurde so der Schöpfer der abendländischen Christusmystik.

Das innere Leben der Kirche in jenen Jahrhunderten, die man oft als die Glanzzeit der christlichen Kirche bezeichnet hat, war reich und vielgestaltig. Das Mönchtum erhielt neue Anregungen insbesondere durch die vom Lothringischen Kloster Cluny ausgehende Reformbewegung, die das verwilderte Mönchtum bekämpfte und an der Priesterehe sowie am Konkubinat der Kleriker - beides war im 11. Jahrhundert sehr häufig - Anstoß nahm. Als besonderer Mißstand wurde die Simonie empfunden, der Kauf und Verkauf der priesterlichen Ordination. Später verstand man darunter noch allgemeiner Übertragung kirchlicher Ämter und Stellungen gegen Geldzahlung. Bernhard von Clairvaux (1090-1153), Vertreter einer stark gefühlsmäßigen Jesusliebe, versenkte sich inniglich in die Betrachtung des sterbenden Erlösers - das ergreifende Passionslied "O Haupt voll Blut und Wunden" stammt in seiner lateinischen Vorlage aus einem von Bernhard beeinflußten Kreis - und wurde so der Schöpfer der abendländischen Christusmystik.

Thomas von Aquin (* um 1225 auf Schloss Roccasecca bei Aquino in Italien, † 7. März 1274 in Fossanov,; auch Thomas Aquinas oder Tommaso d'Aquino) gilt als einer der wirkmächtigsten Philosophen und Theologen der Geschichte. Thomas von Aquin gehört zu den bedeutendsten katholischen Kirchenlehrern und ist seiner Wirkungsgeschichte nach ein Hauptvertreter der Philosophie des hohen Mittelalters, d. h. der Scholastik.

Neben Bernhard stand der große Heilige des 13. Jahrhunderts, Franziskus von Assisi. Er war ein reicher, übermütiger Jüngling gewesen, bis er sich nach seiner inneren Wandlung freiwillig der Armut, seiner "Braut", hingab, um fortan den Mühseligen und Beladenen zu dienen.

Die Heiterkeit seiner Seele drückte sich in engster Verbundenheit mit aller Kreatur der Schöpfung aus, daß er sogar den Vögeln das Evangelium gepredigt haben soll. Der Dienst, den Franziskus an den Menschen tat, mußte in der Welt geschehen, und so entstand mit ihm eine neue Form des Mönchtums, das die engen Mauern der Klöster hinter sich ließ und hineinging in die Welt. Die christliche Theologie jener Zeit fand im Scharfsinn der Scholastik, die auf der Philosophie des Aristoteles aufbaute und die Offenbarung auch mit dem Mittel der Vernunft zu erfassen suchte, eine neue Ausprägung. Der größte Vertreter der Scholastik ist Thomas von Aquino (1225-1274), der größere Schüler des großen Dominikaners und Kirchenlehrers, Bischofs von Regensburg und Philosophen, Diplomaten und Naturforschers Albertus Magnus, Grafen von Bollstädt (1193-1280), der zum Wegbereiter des Aristoteles im christlichen Abendland geworden ist.

Franziskus oder auch Franz von Assisi, eigentlich Giovanni Battista Bernardone (lat. Franciscus de Assisi oder Franciscus Assisiensis) (* 1181/1182 in Assisi, Italien; † 3. Oktober 1226 in der Portiuncula-Kapelle unterhalb von Assisi) versuchte streng und bis ins Einzelne nach dem Vorbild des Jesus von Nazaret zu leben.

Zu Anfang des 14. Jahrhunderts sank die Vormachtstellung des Papstes über die weltlichen Herrscher und Reiche erheblich ab. Der französische König Philipp der Schöne konnte 1309 den Papst sogar zur Übersiedlung von Rom nach Avignon zwingen. Diese "Babylonische Gefangenschaft der Kirche" dauerte fast 70 Jahre. Als dann der Sitz des Papstes nach Rom zurückverlegt wurde, kam es zu Streitigkeiten zwischen hohen Kirchenfürsten; dem Papst in Rom stand ein Gegenpapst in Avignon gegenüber. Ein Schisma spaltete die Christenheit von 1378 bis 1417, der eine Papst belegte die Anhänger des andern mit dem Bann, so daß sich praktisch die gesamte abendländische Christenheit im Bann befand. Erst das Konzil von Konstanz (1414-1418) konnte das Schisma beenden. Das Vermächtnis jenes uneinigen Jahrhunderts blieb aber der verbreitete Gedanke, daß letztlich nicht dem Papst, sondern einem rechtmäßig versammelten Konzil die Entscheidung in Kirchenangelegenheiten zustehe.

Die Vorstellung, daß das Generalkonzil die Kirche repräsentiert, als Gesamtheit der Gläubigen unfehlbar und dem Papst noch übergeordnet sei, hat ohne Zweifel Luthers Reformation den Weg gebahnt. Die sich ständig verschlimmernden kirchlichen Zustände brachten in Deutschland eine tiefsinnige Mystik hervor, die sich mit Namen wie Meister Eckart und Johann Tauler oder dem Büchlein Von der Nachfolge Christ; verbindet. Die Mystik des Mittelalters, die vom göttlichen Seelenfünklein im Menschen ausgeht, hängt mit dem Neuplatonismus der Spätantike zusammen, der durch Augustin und Dionysius Areopagita, einem Mystiker des 6. Jahrhunderts, ins Mittelalter tradiert worden ist. Gelassenheit "sich Gott lassen"), Weltabgeschiedenheit und "Entwerdung" (Leerwerden der Seele in Gott) galten den Mystikern, die sich im Spätmittelalter um Tauler und Heinrich Seuse, Alfred von Rivaux, Heinrich von Nördlingen, Rulman Merswin, Nikolaus von Flüe und Margareta Ebner zu losen Vereinigungen der "Gottesfreunde" zusammenschlossen, als Voraussetzung der Einung des Menschen mit Gott.

Jan Hus (* um 1370 wahrscheinlich in Husinec, Okres Prachatice; † 6. Juli 1415 in Konstanz auf dem Scheiterhaufen), auch Johannes Huss (nach seinem wahrscheinlichen Geburtsort Husinec), war ein christlicher Reformer und Märtyrer. Er war Priester und zeitweise Rektor der Karls-Universität Prag. Die nach Jan Hus benannte Bewegung der Hussiten geht zum Teil auf sein Wirken zurück.

Aber nicht nur die deutsche Mystik, auch verschiedene Reformbewegungen gehören in die Ahnenreihe der Reformation. So forderte Petrus Waldes, ein reicher Kaufmann aus Lyon, ein Leben in apostolischer Armut und gründete 400 Jahre vor der Reformation eine "evangelische" Kirche, die sich in Oberitalien bis auf den heutigen Tag erhalten hat. Dann ist der Oxforder Theologieprofessor John Wiclif (1325-1384) zu nennen, der die Bibel ins Englische übersetzte. Er kämpfte für die urchristliche Armut der Kirche, gegen ihren hierarchischen Aufbau und besonders gegen die katholische Sakramentauffassung. Während Wiclif in Frieden sterben konnte, ist sein begeisterter Anhänger, der tschechische Prediger und Professor Johann Hus, während des Konstanzer Konzils am 6. Juni 1415 auf dem Scheiterhaufen als unbußfertiger Ketzer verbrannt worden. Ganz Böhmen stand darob in Aufruhr, von 1419 bis 1436 tobten die Hussitenkriege, durch die der Laienkelch als das religiöse Symbol der Hussiten in den breiten Massen bekannt wurde. Ein halbes Jahrhundert später stand dann in Italien der Dominikanermönch Savonarola auf, ein Bußprediger gegen die verdorbenen Sitten der Kirche seiner Zeit. Auch er starb auf dem Scheiterhaufen den Tod des Ketzers. Das war 1498. Damals war Martin Luther 15 Jahre alt. Als der Augustinermönch Doktor Martin Luther (1483 bis 1546), Profesor der Theologie an der Universität zu Wittenberg in Sachsen, am 31. Oktober 1517 nach akademischem Brauch 95 Thesen an die Tür der Schloßkirche schlug, hatte er wohl keine Ahnung von der Tragweite der Ereignisse, die seinem Schritt folgen sollten. Was war der weltgeschichtliche Sinn dieser Thesen über die Frage des Ablasses? Schon die These 1 gibt die Antwort: "Wenn unser Herr Jesus Christus spricht: ,Tut Buße, das Himmelreich ist nahe herbeigekommen', so will er, daß das ganze Leben der Gläubigen Buße Sei."

Weder der Ablaß, den der Priester aus dem Gnadenschatz der Kirche spendet, noch irgendeine stellvertretende Instanz welcher Art immer erschließt nach Luther den Weg des Heils. Vielmehr dieses eine, ob der Mensch aus dem Glauben lebt, zeigt sich daran, daß sein ganzes Leben zu einer Buße geworden ist. Der allmächtige Gott, vor dessen Forderung all mein Tun, meine guten Werke zumal, zuschanden wird, verwirft mich nicht in seinem gerechten Zorn, sondern rechtfertigt mich Sünder ohne jegliches Verdienst allein aus Gnaden. Nicht ich kann Gott erwählen, sondern der deus absconditus, der verborgene Gott, erwählt mich und macht aus dem unnützen Knecht ein für seinen Dienst taugliches Werkzeug. Mit der Forderung, daß christliches Leben allein aus dem Glauben geführt werden könne und solle, hat Luther den Menschen in die Einsamkeit der inneren Entscheidung vor Gott gestellt. Glaube oder Unglaube hat aber der Mensch nicht, sondern sie geschehen in ihm. Denn christlicher Glaube wird niemals des Menschen gesicherter Besitz, sondern ist beständiges Wagnis des Neuanfanges, er steht in der ewigen Dialektik des Habens und Nichthabens. "Ich glaube, Herr, hilf meinem Unglauben", hat Luther gebetet. Simul peccator, simul justus - Sünder und Gerechter zur gleichen Zeit: das ist der Mensch.

Auf dem Reichstag in Worms wird über Luther die Reichsacht verhängt. Kurfürst Friedrich der Weise von Sachsen schützt Luther durch Gewahrsamung auf der Wartburg. Dort übersetzt er das Neue Testament, später die gesamte Heilige Schrift ins Deutsche.

Ob der Thesenanschlag tatsächlich so stattgefunden hat, ist in der Forschung umstritten.

Diese vergessenen Wahrheiten wieder zur Geltung zu bringen, nachdem sie Luthers Heilserfahrung geworden waren, das war das Grundanliegen der Reformation. Unmittelbare Veranlassung zum Thesenanschlag hatte der Ablaßhandel des Dominikanermönchs Tetzel gegeben; die Veräußerlichung des altehrwürdigen Bußinsituts, daß ein innerlicher Vorgang mit papiernen Zetteln quittiert und zum Geldgeschäft entwürdigt wurde, war Luther zum Ärgernis geworden. Er hatte zunächst durchaus nicht daran gedacht, die Rolle des Reformators zu spielen. Aber "gleich als ob die Engel Botenläufer gewesen wären", gingen die Thesen Luthers durch das Land, und schon bald verlagerte sich die Auseinandersetzung des Mönchs Martin Luther mit der zuerst ratlos, dann aber heftig reagierenden Kirche auf die zentralen Fragen des christlichen Glaubens überhaupt. Luther war von der Frage bedrückt gewesen: Wie gewinne ich Gottes Gnade?

Sein Studium der Paulinischen Briefe hatte ihn die Lehre von der Rechtfertigung als einem Zusammenwirken von guten Werken, Buße sowie Aneignung der Verdienste der Sakramente und der Heiligen verwerfen lassen. Das Heil sei - so glaubte er - eine unverdiente Gabe Gottes und werde erworben durch Glauben an die göttliche Verheißung, daß Christus durch seinen Sühnetod die Strafe für die Sünde beglichen habe. Der gerechtfertigte Mensch aber hat freien Zugang zu Gott auch ohne die Mittlerdienste der Sakramente, der Priester und der Heiligen. Luthers Wort von der Rechtfertigung allein durch den Glauben und der allgemeinen Priesterschaft der Gläubigen mußte zur Verwerfung der Unfehlbarkeit des Papstes und auch der Konzile sowie zur Betonung der Heiligen Schrift als des einzigen und ausreichenden Grundes der Lehre führen.

Luther übersetzt die Bibel auf der Wartburg.

Die Reformation hat die mittelalterliche Verschränkung der Kirche als Heils- und Rechtsinstitution aufgehoben und die Kirche auf die Heilsvermittlung beschränkt. Damit ist die Säkularisation des Rechts eingeleitet und die Innerweltlichkeit der modernen Kultur vorbereitet worden. Die Religion der unmittelbaren persönlichen Gottesbeziehung trat an die Stelle der mittelalterlichen Sakraments- und Dogmenreligion, das allgemeine Priestertum der Gläubigen an die Stelle der zwischen Gott und Mensch vermittelnden priesterlichen Hierarchie, und die Rechtfertigung allein aus dem Glauben, als ein Tun Gottes angesehen, schloß die Mitwirkung der Kirche oder eines anderen Faktors aus. Neben dem dynamischen und innerlich aufgewühlten Martin Luther, den sein Leben lang immer wieder die eine Frage gequält hat, wie der sündige Mensch einen gnädigen Gott finden und der Erlösung teilhaftig werden kann, steht der viel harmonischere Huldrych Zwingli (1484-1531), der Reformator Zürichs. Seine humanistische Herkunft und die besonderen politischen Verhältnisse der Schweiz haben die Lutherschen Gedanken in eine mehr praktisch-rationale Form umgeprägt. Besonders das Abendmahl hatte für Zwingli eine andere Bedeutung als für Luther. An dieser Frage ist der Versuch einer Einigung der beiden Reformatoren, die das Marburger Religionsgespräch von 1529 herbeiführen sollte, gescheitert.

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